1.Januar 1962: Aus Liebe zu Mündeln

1.1.2012, 06:59 Uhr
1.Januar 1962: Aus Liebe zu Mündeln

© Friedl Ulrich

Seither sind die Aufgaben in dieser Schlüsselposition der Jugendarbeit stetig gewachsen – und das nicht nur, weil der bürokratische „Dschungel-Krieg“ größer, sondern auch die Mühe um das einzelne menschliche Wohl intensiver geworden ist. Außerdem hat diese „amtliche Ziehvater-Stelle“ sich in zunehmendem Maße nicht allein um die Vermögensverwaltung des Mündels, sondern auch um dessen Wegbereitung ins Leben zu kümmern. Das setzt mehr voraus – als Sachkenntnis . . .

Das verspüren die – rund 40 – Mitarbeiter der Amtsvormundschaft besonders in jüngster Zeit, wenn sie jene Väter ermitteln und zur Unterhaltszahlung auffordern wollen, die in den Reihen der ausländischen Gastarbeiter zu suchen sind. Sobald nämlich – beispielsweise – ein Italiener „Lunte riecht“, daß er für sein unehelich geborenes Kind allmonatlich einen bestimmten Betrag entrichten soll, macht er sich gern in Richtung Heimat aus dem Staube. Im Land der Zitronen nämlich gibt es kein Gesetz über diese Zahlungspflicht – ebensowenig wie etwa in Spanien, Griechenland, Frankreich oder Belgien.

Trotz dieser Fluchtversuche tut die Amtsvormundschaft – durch das bayerische Jugendwohlfahrtsgesetz von 1926 so benannt – eisern, was sie kann. Für die 5500 Mündel, die sie betreut, treibt sie jährlich 5,5 Millionen DM Unterhaltsgelder bei, und im neuen Jahr, mit dessen Beginn sich die Unterhaltsspanne auf zwei weitere Lebensjahre des unehelichen Kindes (nämlich bis zum 18. Lebensjahr) erstreckt, wird dieser Gesamtbetrag noch wachsen.

Aber wenn auch die Zahl der vaterlos geborenen Kinder neuerdings nicht gerade ansteigt – ihr Anteil liegt bei 12 v. H. -, so mehren sich dennoch die amtlichen Pflichten.

„Wir führen Rechtsstreitigkeiten wegen der Vaterschaftsfeststellungen noch und noch“, sagt der Leiter dieser umfassenden Dienststelle des Jugendamtes in der Wetzendorfer Straße, Rechtsrat Heinz Mösonef, „vom Briefwechsel, der in die ganze Welt reicht, abgesehen“.

Der große sachliche und menschliche Aufwand, der von diesem Amt ausgeht, kommt jedoch nicht von ungefähr: nachweisbar steht nämlich fest, daß sich die Stadt Nürnberg bereits zur Reformationszeit um die Fürsorge der Mündel gemüht hat.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 30. Dezember 1961-1. Januar 1962

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