Zu Besuch in Franken

Massive Kritik: Fürther Linke will Henry Kissinger die Ehrenbürgerschaft entziehen

Julia Ruhnau

Fürther Nachrichten

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20.6.2023, 15:43 Uhr
Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister, ist Ehrenbürger der Kleeblattstadt.

© Lusa Andre Kosters Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister, ist Ehrenbürger der Kleeblattstadt.

Die Stadtratsfraktion der Linken in Fürth hat die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Henry Kissinger gefordert. In einem entsprechenden Antrag vom 20. Juni heißt es, die Taten, für die der Politiker stehe, ließen "eine Ehrenbürgerschaft und damit verbunden eine Straßen- bzw. eine Platzbenennung und eine Gedenktafel für diese Person nicht zu". Die Partei spielt damit auf ein Schild an, das anlässlich seines 100. Geburtstags an Kissingers Geburtshaus in der Mathildenstraße angebracht wurde. Außerdem ist in der Innenstadt ein Platz nach ihm benannt.

Anlass für die Kritik der Linken ist ein Festakt zu Ehren des betagten Weltbürgers, der am Dienstag zum wiederholten Male in die Kleeblattstadt kam. Der gebürtige Fürther, der mit seiner Familie einst von den Nazis aus Franken vertrieben worden war, habe den Vietnamkrieg bewusst verlängert, heißt es in dem Antrag. Er habe als US-Außenminister den Krieg auf das neutrale Kambodscha ausgeweitet, sei am Militärputsch in Chile beteiligt gewesen und habe weitere Diktaturen unterstützt oder ihnen zur Macht verholfen. "An seinen Händen klebt das Blut unzähliger, unschuldiger Menschen."

"Kein Anlass, stolz auf Kissinger zu sein"

Die Stadtratsfraktion, bestehend aus Niklas Haupt, Ruth Brenner und Ulrich Schönweiß, wirft Kissinger eine Reihe von Verfehlungen vor. Dem SPD-Bundeskanzler Willy Brandt habe er den Tod herbeigewünscht. Es gebe also "nicht den geringsten Anlass, stolz auf Henry Kissinger zu sein, nicht in Fürth oder sonst wo."

Die Kommunalpolitiker sind nicht allein mit ihren Mahnungen. Mehrere Bücher beschäftigen sich mit seiner umstrittenen Rolle des Staatsmannes in der Außenpolitik der 70er Jahre. Kissinger erhielt Vorladungen von Gerichten in verschiedenen Ländern, erschien aber nie. Abschließend fordert die Linke: "Schluss mit dieser unhistorischen Verdrängung. Es ist Zeit, die geschichtlichen Fakten zur Kenntnis zu nehmen."

Die nächste Stadtratssitzung findet in Fürth am Donnerstag, 29. Juni, statt. Ob es für den eingereichten Antrag Unterstützer gibt, bleibt fraglich - Oberbürgermeister Thomas Jung hatte sich in der Vergangenheit etwa immer wieder lobend über Kissinger geäußert. Erst vor kurzem hob er bei der Enthüllung der Gedenktafel in der Mathildenstraße dessen "kritischen Verstand" hervor, seine höfliche, bescheidene Art - und seine Leidenschaft für die Fürther Spielvereinigung.

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