Die Fürther Genossen im Stimmungswandel

4.12.2013, 13:00 Uhr
Die Fürther Genossen im Stimmungswandel

© Stephan Jansen/dpa

Für das prominenteste Fürther SPD-Mitglied ist die Sache ganz klar – und das, wie Oberbürgermeister Thomas Jung gar nicht erst verhehlt, vor allem aus lokalpatriotischen Gründen. „Der Vertrag ist gut für die Menschen, gut für das Land und sehr gut für die Stadt Fürth“, findet Jung.

So wolle die schwarz-rote Koalition die zuletzt arg geschrumpften Mittel für das Programm Soziale Stadt, von dem bereits etliche Sanierungs- und soziale Projekte in der Kleeblattstadt profitiert haben, versiebenfachen; die schrittweise Übernahme der Eingliederungshilfen für Behinderte durch den Bund beschert dem Stadtsäckel schon 2014 eine, ab 2017 dann sechs Millionen Euro weniger Ausgaben.

„Ein Herzensanliegen“

Und dann ist da ja noch der Mindestlohn, den der OB seit jeher vehement und gebetsmühlenartig gefordert hat, der ihm aus sozialer Sicht „ein Herzensanliegen“ ist. Nicht zuletzt spart die Kommune auch hier bares Geld – denn sie zahlt künftig für weniger Menschen mit, die jetzt noch ihr mickriges Gehalt aus Hartz-IV-Mitteln aufstocken müssen.

Mit seinem Ja zur Koalition steht Jung, das meint er deutlich zu spüren, inzwischen längst nicht mehr so einsam da wie noch vor Wochen. Die anfangs noch sehr stark von Anti-Merkel-Gefühlen geprägte Stimmung in der örtlichen SPD habe sich gedreht: „Jetzt setzt sich Gott sei Dank der Kopf durch“ — und der Glaube daran, „dass wir doch viele unserer Vorstellungen durchbringen“.

Ähnlich sieht das Rudi Lindner, der als Paradebeispiel für den Sinneswandel taugt. Der Fuhrparkleiter in einem Chemie-Großhandel, langjähriger Stadtrat, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in Fürth und eher ein Parteilinker, war anfangs „strikt dagegen“, die Große Koalition einzugehen – ebenso übrigens wie die meisten seiner Mitstreiter im Parteidistrikt Ost, dem der 60–Jährige vorsteht. Doch nach der Lektüre des Vertrags sagt Lindner: „Da sind viele positive Sachen drin.“

Er nennt als Beispiele den „sanften Ausstieg aus der Rente mit 67“, von dem er auch selbst profitieren wird, oder die schärfere gesetzliche Begrenzung von Mieterhöhungen. Und was, fragt Lindner, wäre denn die Alternative zum schwarz-roten Schulterschluss? Neuwahlen, mit einer „noch schlechteren SPD“, mit „einer FDP, die durch den Mitleidseffekt wieder drin ist“, und einer AfD, die doch noch den Sprung ins Parlament schafft. Unter dem Strich heißt das für Lindner: Zustimmung, „leider Gottes“, wie er hinzufügt – denn wirklich begeistern will er sich für das Zweckbündnis dann doch nicht.

So weit wie ihr Fürther Genosse ist Melanie Eichhorn, Vorsitzende des Zirndorfer Ortsvereins der Jusos, noch nicht: Sie schwankt. Einerseits hätte sie sich eine sozialdemokratischere Handschrift gewünscht, andererseits meint sie, angesichts des SPD-Wahlergebnisses sei es wohl das Beste, was zu bekommen war. Das Vertragswerk hat sie sich gut durchgelesen, schließlich erwarten die anderen jungen Sozialdemokraten von ihr Antworten. Themen wie Mindestlohn und Rente waren für die 22-Jährige von besonderem Interesse. Während sie in dieser Hinsicht zufrieden ist, hätte sie sich bei der doppelten Staatsbürgerschaft und beim Adoptionsrecht für homosexuelle Paare weiterreichendere Vereinbarungen gewünscht.

Frank Bauer, SPD-Landratskandidat und Ortsvereinsvorsitzender aus Stein, weiß im Gegensatz zu Eichhorn schon, dass er für den Koalitionsvertrag stimmen wird. „Die SPD ist angetreten, um zu gestalten, und das geht nur in der Regierung“, sagt er. Dennoch bleiben bei ihm „Bauchschmerzen“, insbesondere, was das für ihn wichtige Thema Energiewende betrifft. Bauer fürchtet, dass sich der schnelle Umstieg auf klimaneutrale Ressourcen, den er sich auch für den Landkreis wünscht, verzögert.

Grundsätzlich stellt sich der 44-Jährige die Frage, von welcher Bedeutung der Vertrag für die Regierungsarbeit ist. „Ich messe ihm nicht so viel Bedeutung bei. Was im Endeffekt umgesetzt wird, steht auf einem ganz anderen Blatt“, meint er. 40 Prozent dagegen, 60 Prozent dafür, so lautet die Abstimmungsprognose des Sozialdemokraten aus dem Landkreis. Noch weiter nach vorn traut sich der Oberbürgermeister aus Fürth: „70 bis 80 Prozent“ der Genossen in seiner Heimatstadt werden dem Koalitionsvertrag zustimmen, glaubt Thomas Jung.

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