Forchheim: Wo sollen Kinder noch das Schwimmen lernen?

27.6.2014, 11:00 Uhr
Forchheim: Wo sollen Kinder noch das Schwimmen lernen?

© Ralf Rödel

Seepferdchen und Silber-Abzeichen besitzt Sandra Knaut bereits seit Grundschulzeiten, nun hat sie Größeres im Blick – vielleicht das Rettungsschwimmer-Abzeichen, erzählt die Elfjährige. „Aber auch Synchronschwimmen interessiert mich.“

In einem Schwimmkurs im Gräfenberger Hallenbad, zu dem sie ihre Eltern angemeldet hatten, lernte Sandra als Erstklässlerin das Schwimmen. Heute ist sie in der Schulmannschaft der Mittelschule Gräfenberg. „Im Wasser zu sein ist für mich wie Erholung“, sagt die Fünftklässlerin.

Sandra fühlt sich wohl im Wasser – so wie die meisten Kinder. Dennoch steigt bundesweit seit Jahren die Zahl der Nichtschwimmer. 30 Prozent der Viertklässler können nach Zahlen der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) nicht schwimmen.

Es wird mehr

Dieselben Zahlen lassen sich für den Landkreis Forchheim nicht bestätigen. „Ich habe aber den Eindruck, dass es mehr wird“, sagt Marion Knauer. Die Lehrerin der Volksschule Ebermannstadt ist Fachberaterin des Forchheimer Schulamts für Sport und damit auch fürs Schulschwimmen zuständig.

In Ebermannstadt sind dank des Hallenbads die Bedingungen ideal, jede Klassenstufe an der Volksschule hat Schwimmunterricht. Und doch gibt es im Schnitt in jeder dritten Klasse mindestens zwei Kinder, die nicht schwimmen können, berichtet Knauer. In diesem Fall legt sie den Eltern einen Kurs für ihr Kind nahe – zusätzlich zum schulischen Schwimmunterricht. Bei Klassenstärken von 20 Kindern „können wir das als Schule nicht alleine auffangen“.

Im Vorschulalter

Der Normalfall sieht aber anders aus, berichtet Knauer: Der überwiegende Teil der Kinder lernt bereits im Vorschulalter das Schwimmen. Das ist nicht nur in Ebermannstadt so, sondern auch in Gräfenberg.

„Wir haben eine Nichtschwimmer-Rate von zwei Prozent“, erzählt Heike Schütz, die das Schulschwimmen in Gräfenberg koordiniert. Weil also fast jeder Grundschüler bereits schwimmen kann, konzentriere sich das Schulschwimmen auf das Beibringen der richtigen Technik. „Wir sind hier eine echte Schwimmregion“, so Schütz. Eltern, Schulen und Sachaufwandsträger, die das Schulschwimmen bezahlen, würden an einem Strang ziehen.

Lehrer Heinz Pritzl, der regelmäßig mit seiner vierten Klasse der Grundschule Eckenhaid nach Gräfenberg kommt, hat seine eigenen Beobachtungen gemacht: Von 25 Drittklässlern hätten in den 1970er und 80er Jahren sechs oder sieben nicht schwimmen können, heute seien es viel weniger. „Unsere Eltern sind schwer aktiv“, so Pritzl. Dass sich die meisten Kinder aus Gräfenberg und Umgebung schon im Vorschulalter sicher im Wasser bewegen können, führt auch Koordinatorin Schütz auf die Eltern zurück, die ihren Töchtern und Söhnen das Schwimmen entweder selbst beibringen oder sie zu Kursen anmelden.

Allenfalls ins Spaßbad

Wenn Kinder auch in der dritten oder vierten Klasse noch nicht schwimmen können, fehlt meist dieses Engagement. Einige Eltern gingen mit ihren Kindern in der Freizeit, wenn überhaupt, ins Spaßbad, sagt Fachberaterin Knauer. Und um als Kind die Rutsche zu benutzen, müsse man nicht unbedingt schwimmen können.

Sie stelle bei einigen Eltern die Tendenz fest, die Verantwortung für das Schwimmen an die Schulen abzugeben. Ähnlich sei die Entwicklung bei der Verkehrserziehung: In der vierten Klasse könne mancher noch nicht richtig Rad fahren. „Man kann es nicht den Schulen überlassen“, ergänzt Heike Schütz. „In erster Linie sind die Eltern verantwortlich. Schwimmen ist keine Fun-Sportart, sondern eine überlebenswichtige Fähigkeit.“

Problem im Landkreis: Seit die Bäder in Gößweinstein und Kirchehrenbach schließen mussten, ist das Gräfenberger Hallenbad eines von nur drei verbliebenen im Landkreis (siehe unten). Das Gräfenberger Bad befindet sich seit 2006 in privater Hand und trägt heute den Namen „Center für Aqua-Fitness und Physiotherapie“ (CAP). Die verschiedensten Kurse — vom Babyschwimmen bis zum Integrativkurs — werden hier angeboten.

Völlig ausgelastet

Die Nachfrage nach Stunden für Schulschwimmen ist groß – nicht erst, seit die anderen Bäder schließen mussten. Zwei Schulen sind derzeit auf der Warteliste. Doch mit 30 Schulschwimm-Stunden pro Woche ist das Gräfenberger Bad völlig ausgelastet. Zum Schwimmunterricht kommen zwölf Schulen hierher, neben Mittel- und Realschule Gräfenberg sind das vor allem Grundschulen, die bis aus Heroldsberg anreisen.

Dass auch die Eckenhaider Grundschüler in Gräfenberg das Schwimmen lernen, hat vor allem mit der kurzen Anfahrt zu tun, erzählt Lehrer Heinz Pritzl, der bereits seit den 70er Jahren mit Klassen zum Schwimmen hierher kommt. Ohne die Gräfenberger Einrichtung, schätzt Pritzl, „würde der Schwimmunterricht vermutlich komplett ausfallen“.

Zur Sache: Der Lehrplan und die Realität

Im Grundschul-Lehrplan hat der Schwimmunterricht einen festen Platz: Bis zur zweiten Klasse sollen die Kinder eine Schwimmart zumindest so gut beherrschen, dass sie sich über Wasser halten können. In den meisten Fällen lernen die Kinder Brustschwimmen, einige Lehrer setzen aber auf Kraul als erste Schwimmart. Ab Beginn der dritten Klasse wird die erlernte Schwimmart intensiver eingeübt, so dass die Schüler sie sicher beherrschen. Gleichzeitig erlernen sie eine weitere Schwimmart. So steht es im Lehrplan. „Oft passen aber die Rahmenbedingungen nicht“, erklärt Marion Knauer, Fachberaterin des Schulamts für Sport. Weil Bäder zu weit weg sind oder kaum Kapazitäten frei haben, ist Schwimmunterricht nur begrenzt möglich.

Knauer nennt ein Beispiel aus ihrer Zeit als Lehrerin an der Grundschule Neunkirchen: Die vierten Klassen mussten nach Spardorf zum Schwimmen. Nach Abzug der Anreisezeit blieben „effektiv 25 bis 30 Minuten“, so Knauer. Noch dazu konnte pro vierter Klasse nur ein Drittel des Schuljahres überhaupt zum Schwimmen gehen, weil die freien Zeiten in Spardorf, wo das Gymnasium das erste Zugriffsrecht hat, äußerst begrenzt sind. Für die Schulen im Landkreis Forchheim hat sich diese Situation verschärft, seit die Bäder in Gößweinstein und Kirchehrenbach geschlossen wurden. „Das hat ein Loch gerissen“, sagt Knauer. Neben dem Forchheimer Königsbad gibt es nur noch in Ebermannstadt und Gräfenberg Schwimmbäder im Landkreis.

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