Originelles aus zweiter Hand findet Liebhaberinnen

10.7.2015, 20:49 Uhr
Originelles aus zweiter Hand findet Liebhaberinnen

© Archivfoto: Eduard Weigert

Anders als seine Pendants auf der Düsseldorfer Kö ist Rosa Maria Fößels Geschäft „Secondonobile“ in Nürnbergs Winklerstraße 16 nicht mit Marmorböden und Spiegelwänden ausstaffiert. Mit seinem Angebot aber kann es durchaus mithalten: aktuelle, hochwertige, handverlesene Luxusmarken wie Armani, Dolce & Gabbana (D&G), Prada, Gucci, Moschino, Versace und Schumacher.

 

Bloß nichts Verwaschenes

Verwaschenes kommt Fößel nicht ins Haus. Die Designerstücke sind bestes erhalten, topmodisch und um 50 bis 70 Prozent billiger als Neuware. Kleider, Mäntel, Kostüme, Hosenanzüge, Röcke, Hosen, Blusen, Strickwaren, alles ist übersichtlich nach Größen (34 bis 42) geordnet, so dass sich die Kundin, der Kunde auch alleine schnell zurechtfindet.

Keine Selbstbedienung“ ist gleich am Eingang zum Modekeller von Gundi Tancic in der Pfarrgasse 9 zu lesen. Hier können auch Damen jenseits der Konfektionsgröße 42 sowie Herren fündig werden. Und dabei muss tatsächlich die Verkäuferin helfen, denn anhand der Kennzeichnung auf den Kleiderbügeln sind zwar die Größen leicht zu erkennen, die Ware aber ist so dicht gehängt, dass „Blättern“ für den schnellen Überblick nicht wirklich funktioniert. Das bunte Angebot beinhaltet in erster Linie gediegene Markenkleidung.

Originelles aus zweiter Hand findet Liebhaberinnen

© Archivfoto: Horst Linke

Vor 20 Jahren wurde „Klamotte“ in der Schonhoverstraße 21 eröffnet. Aus einer privaten Umbruchsituation heraus sei sie damals ins kalte Wasser gesprungen, verrät Inhaberin Anna Ostermeier. Das auf zeitlose Qualitätskonfektion für Damen und Herren spezialisierte Geschäft lebt von seinen Stammkunden. „Seitdem die Straßenbahn nicht mehr durch die Pirckheimerstraße fährt, bleibt die Laufkundschaft aus“, stellt Ostermeier fest. Und das erschwere das ohnehin schwierige wirtschaftliche Überleben noch weiter.

Vor gut einem Jahr hat in der Glockenhofstraße 18 eine Secondhand-Boutique mit neuer und gebrauchter Mode für Sie und Ihn eröffnet. In dem einfach ausgestatteten Ladengeschäft finden sich neben deutscher und italienischer Designermode echte Felle und Pelze sowie Vintage-Taschen und ausgefallene Stiefel.

Ein Paradies für Retrofans ist „Flex!“ in der Kernstraße 7. Hier ist die Zeit spätestens in den 60er Jahren stehengeblieben. Für ein tadellos erhaltenes Kleid oder eine ebensolche Kittelschürze aus Urgroßmutters Tagen muss lediglich ein Euro lockergemacht werden. Die Flohmarktware mit Geschichte kommt frisch gewaschen und hygienisch einwandfrei in den Szeneladen.

Originelles aus zweiter Hand findet Liebhaberinnen

© Archivfoto: Harald Sippel

Leben in der Nische

Noch führen die inhabergeführten Secondhand-Läden in Nürnberg ein Nischendasein und wer was auf sich hält, gibt nicht unbedingt zu, dass er dort kauft oder Ware liefert. In den größeren Städten mit einer wohlsituierten Oberschicht aber haben sich solche Markenboutiquen infolge des Imagewandels gebrauchter Kleidung längst etabliert, weiß Daniela Kaminski vom Branchenverband „Second-Hand vernetzt“.

Während für die Nachkriegsgeneration Gebrauchtes nicht infrage gekommen sei, hätten die 68er mit ihrem Ökotouch von anderen Ausrangiertes gerne weitergetragen. Später kaufte vor allem Secondhand, wer nichts von der Stange wollte, sondern Individuelles. Heute spielt neben dem Preis der Umweltschutzgedanke eine wichtige Rolle. Eine Studie der Uni Frankfurt belegt, dass sich 25 Prozent der Käufer aus ökologischen Gründen für Ware aus zweiter Hand entscheiden. Vor gut zehn Jahren waren es noch 14 Prozent. Die Hemmschwelle, Dinge wegzuwerfen ist höher geworden, sagt Keminski. Bei jungen Leuten voll im Trend seien mittlerweile Dinge mit sichtbaren Gebrauchsspuren.

Was ist, wenn sich das Teil aus zweiter Hand als Fehlkauf entpuppt? Ob neu oder gebraucht gekauft, für Ware in einwandfreiem Zustand gilt: kein Umtauschrecht, sagt Rechtsanwalt Günther Kreuzer. Bei einem sogenannten Sachmangel, wenn die Ware nicht funktioniert und ihren Zweck nicht erfüllt, greift in beiden Fällen das Gewährleistungsrecht und der Händler muss entweder nachliefern oder zum Beispiel den Verkauf auch rückabwickeln. Der Abnutzungszustand stellt laut Kreuzer keinen Mangel dar. Wenn sich allerdings die immer noch sündhaft teure Handtasche aus zweiter Hand als Fälschung erweist, dann ist wiederum der Händler dran. „Er haftet dafür, dass das, was er verkauft, auch tatsächlich das ist, was versprochen wurde.“ Wenn der Preis besonders niedrig ist, sollten beim Käufer jedoch sämtliche Alarmglocken schrillen.

Gemeinnützige Secondhand-Läden wie beispielsweise Lilith, Vintys und Rauschgold, deren Erlös sozialen Zwecken zufließt, verkaufen Ware, die sie dafür geschenkt bekommen haben. Die gewinnorientierten nehmen Ware von Einlieferern meist in Kommission. Für das sogenannte Kommissionsgeschäft empfiehlt der Anwalt eine Vereinbarung über die Eigentumsübertragung abzuschließen. Darin sollte unter anderem geregelt sein, wann nicht verkaufte und vom Einlieferer nicht wieder abgeholte Ware Eigentum des Kommissionärs — des Händlers auf fremde Rechnung — wird. Andernfalls bleibt er möglicherweise darauf sitzen und muss sie jahrelang bei sich lagern.

Möglich als Ausbildungsbetrieb

In den Anfangsjahren war der Handel mit Ware aus zweiter Hand oft lediglich ein Zubrot. Heute, sagt Keminski, wollten die Gründer davon leben. Das erfordere Professionalität: ein geordnetes Beschaffungswesen, optisch ansprechende Ausstattung und Warenpräsentation und vieles mehr. Inzwischen akzeptieren etliche IHK Secondhand-Läden unter bestimmten Voraussetzungen als Ausbildungsbetriebe. Auch die IHK Nürnberg für Mittelfranken zeigt sich offen.

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