Beinarbeit wie ein Balletttänzer

7.8.2016, 17:30 Uhr
Beinarbeit wie ein Balletttänzer

© Foto: Horst Linke

Unübersehbar verleiht die Bühne mit der neuen Dachkonstruktion der Veranstaltung eine flottere Optik. Umso altbackener wirken jetzt die Veranstaltungsbanner mit den Logos der Sponsoren. Würden Videowände wirklich die Atmosphäre und das Budget des Klassik Open Air sprengen?

So war es an diesem Abend nur den Zuhörern in den allerersten Reihen beschieden, das funkelnde Schuhwerk und die balletttänzerische Beinarbeit vom Cameron Carpenter zu bewundern. Nicht schmal ist die Schneise der Verwüstung, mit welcher der exzentrische Hexenmeister an der Orgel bei seinen Gastspielen die Konzertorgeln dieser Welt an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit brachte. Doch diese Zeiten sind vorüber. Mit seinem maßgeschneiderten digitalen Spieltisch verfügt er nun über eine Orgel, mit der er überall auftreten kann. Die Beschallung übernimmt vor Ort die ortsansässige Lautsprecheranlage.

Nahezu unendlich erscheinen die Registrierungsmöglichkeiten seiner Sounds. Und davon macht Carpenter an diesem Abend reichlich Gebrauch. Bachs bekannte Toccata in d-Moll unterzieht er einem bonbonfarbenem Spektrum an Klängen, die die eigentliche Partitur fast in den Hintergrund rücken.

Gemäßigter, gleichwohl nicht unproblematischer ist seine Bearbeitung der Paganini-Variationen von Rachmaninow für Orgel. Auch hier verwandelt er mit Hilfe seines millionenteuren Spieltisches die virtuosen Läufe des ursprünglichen Pianoforte in ein fast zirzensisch anmutendes Kaleidoskop an Klängen. Da ist keine Note falsch und keine Phrasierung unkorrekt, aber der Dialog mit dem Orchester gerät bei so viel kreativem Klanghokuspokus in Schieflage: Wer führt hier wen?

Fast schulbuchartig kommt da die Ausarbeitung von Camille Saint-Saens „Danse Macabre“ daher. Da kriecht allerdings einem nicht nur der Tod ins Gebein, sondern auch die Kälte der fortschreitenden Nacht. Tanzen hilft, aber geht das auch wirklich gut bei einem Konzertwalzer?

Die Wunderkerzen kreisen beim Grammy-gekrönten „Beauty and the Beast“. Das um Carpenter herum gelegte Programm der Nürnberger Symphoniker erfüllt die Erwartungen, die man an diese Veranstaltung legen darf. Ein wenig ausufernd die sinfonische Jagd bei Cesar Francks „Chasseur maudit“. Dafür gelingen die Auszüge aus Strawinskys „Feuervogel-Suite“ umso packender. Immer wieder greift Chefdirigent Alexander Shelley, der als Moderator wieder einmal Bestnoten verdient, die Bezüge der verschiedenen Komponisten zur Orgelmusik auf.

Da wäre es sicherlich kein Satz zuviel gewesen, wenn er Nürnberg als Austragungsort des wohl bedeutendsten europäischen Orgelmusikfestivals – der ION – wenigstens einmal erwähnt hätte. Dafür wurde der Ausblick auf Shelleys definitv letztes Open Air Konzert an dieser Stelle im Sommer 2017 durchaus zelebriert. Man darf schon jetzt gespannt sein, welches Instrument dann ins Rampenlicht gezaubert wird.

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