Feier mit „Deafmesse“ und Theaterspiel

26.10.2016, 19:18 Uhr
Feier mit „Deafmesse“ und Theaterspiel

© Foto: Christine Anneser

Der Gehörlosenverein Neumarkt ist eine Interessenvertretung von Gehörlosen und hat aktuell 65 Mitglieder, Tendenz steigend, Erwachsene ebenso wie Kinder, nicht nur aus Neumarkt, sondern auch aus Nürnberg bis nach Oberfranken. „Viele haben sich in der Gehörlosenschule in Nürnberg kennengelernt“, sagt die Ehrenvorsitzende Edeltraud Biagosch.

Die 69-Jährige verlor ihr Gehör mit dreieinhalb Jahren als Folge einer Gehirnhautentzündung. „Da konnte ich schon sprechen“, berichtet Biagosch, die deshalb keinen Gebärdendolmetscher braucht, sondern die Worte von den Lippen ihrer Gesprächspartner abliest und sich deutlich artikulieren kann.

Die Kindheit und Jugend sei nicht einfach gewesen, erinnert sich die Neumarkterin. So musste sie, um sich ihren Berufswunsch Zahntechnikerin zu erfüllen, eine Berufsschule für Hörende besuchen. „Ich habe die Lehrer zwar nicht verstanden, aber mir den Stoff halt vom Nachbarn abgeschaut und aus Büchern selbst angeeignet.“ Heute gebe es für Gehörlose zum Glück viel mehr Fördermöglichkeiten, wozu auch der Gehörlosenverein Neumarkt beigetragen hat.

Unterlagen vernichtet

Eigentlich wurde der Verein schon 1926 von Kaspar Kußmann gegründet, löste sich allerdings während der Wirren des Zweiten Weltkriegs auf. Aus Angst vor Verfolgung wurden während der Nazi-Herrschaft alle Unterlagen vernichtet oder sind jedenfalls bis heute nicht mehr auffindbar.

Im Herbst 1956 sammelte sich dann ein Dutzend Gehörloser aus der Stadt und dem Landkreis Neumarkt unter Albert Härtl zur Neugründung des heutigen Vereins im Gasthaus Wittmann in der Bahnhofstraße. Nahezu 25 Jahre war Härtl der Vorsitzende, bis er die Leitung 1981 aus gesundheitlichen Gründen an Werner Schmidt abgab. Der übergab die Führung 1988 an den sehr beliebten Vorstand Georg Biagosch, den Ehemann von Edeltraud Biagosch, der das Amt 15 Jahre lang innehatte. Ihm folgten Dieter Bock für neun Jahre und Christian Distler für drei Jahre. Seit 2015 steht Angela Benschuh aus Nürnberg an der Spitze, Stellvertreter ist Rudolf Forster. Der Verein organisiert Vorträge, Bildungsfahrten und Museumsführungen mit Gebärdendolmetschern. Es gibt eine Familienfreizeitgruppe und den Seniorentreff. Edeltraud Biagosch ist auch Mitglied im Behindertenbeirat der Stadt Neumarkt. „Für einen solchen Einsatz brauchen wir auch Gebärdendolmetscher, die Stadt unterstützt uns bei den Kosten.“

Seit über 30 Jahren steht der Lions Club Neumarkt dem Gehörlosenverein mit Rat und Tat zur Seite. Neben der Anschaffung nötiger technischer Hilfsmittel sorgte der Lions Club auch für Kontakte zu anderen Gehörlosen. So wurden beispielsweise Fahrten zu den Partnerstädten Issoire oder Mistelbach organisiert. Auch gemeinsame Feste wurden veranstaltet.

Das 60-jährige Vereinsjubiläum wird am Samstag, 29. Oktober, groß gefeiert. Das Programm startet um 10 Uhr mit Stadtführungen in Gebärdensprache. Treffpunkt ist am Rathaus. Die sogenannte „Deafmesse“ mit Infoständen und einer Kinderspielecke findet von 11 bis 17 Uhr im Johanneszentrum (Kolpinghaus), Ringstraße 61, statt. Um 13 Uhr beginnt der ökumenische Festgottesdienst im Münster St. Johannes.

Danach gibt es Kaffee und Kuchen im Festsaal des Kolpinghauses. Um 16 Uhr wird der Festabend offiziell durch den Schirmherrn der Veranstaltung, Oberbürgermeister Thomas Thumann, eröffnet. Zur Unterhaltung dienen ein Gehörlosen-Theater über die Neumarkter Geschichte, Zauberei, der Auftritt einer Samba-Gruppe, Vorträge und Ehrungen.

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