Eine intensive Dosis Weihnachten

16.12.2016, 19:05 Uhr
Eine intensive Dosis Weihnachten

© Foto: A. Ebmer

Mit der Ruhe im sonst eher friedlichen Nürnberger Nordstadt-Viertel Johannis war’s dahin: alle Welt auf der Suche nach Parkplätzen. Dabei sollte es doch eigentlich um die Suche nach Kind und Krippe gehen. Aber unter all den „Weihnachtsoratorien“ waren die drei Kantaten mit den Windsbachern offenbar eine besonders spektakuläre Offerte am Beginn einer kleinen Tournee, die die Knaben durch die Schweiz und Süddeutschland bis nach Amsterdam führt.

Gemälde von Michael Wolgemut

Die Aufführung in der Friedenskirche war zugleich ein Vorbote der Internationalen Orgelwoche, der Rundfunk kam mit schwerem Gerät (Sendung am 2. Feiertag um 20.05 Uhr auf BR-Klassik): Woher nimmt man da die Andacht für Johann Sebastian Bachs Jubel, für die Krippenidylle, das Wunder der Geburt, das der Flügelaltar mit den Gemälden von Michael Wolgemut und aus seiner Werkstatt hinter dem Wald von Mikrofonen und im gleißenden Scheinwerferlicht so plastisch schildert?

Martin Lehmann und das Kammerorchester Basel lassen es für dieses Barock-Recycling an nichts fehlen. Manchmal aber fehlte einem vor lauter Hochglanz das Innehalten in der Klangrede, die sprachliche Intimität, wenn selbst solche Arien wie „Bereite dich Zion“ mit der fabelhaften Wiebke Lehmkuhl etwas atemlos vorüberziehen. So wartet man denn auf die Choräle und nach James Gilchrists überaus bunt-anschaulicher Geburtsschilderung auf die überzeugende Emotionalität. Man staunt über den viril auftrumpfenden und jede Koloratur penibel ausformenden Bassisten Tobias Berndt. Ist dann bei der Sinfonia angelangt, die Lehmann mit den erfahrenen Basler Musikern in einer schwebenden, schwingenden Wellenbewegung musiziert.

Da wird endgültig klar: Lehmann fasst dieses Oratorium abseits seiner effektvollen Barockpracht ganz von der musikalischen Linie her auf. Ein „richtig“ oder „falsch“ gibt es beim „Weihnachtsoratorium“ ohnehin kaum noch. Die von Martin Lehmann ist weniger vom Atem der Sprache, von Punkt, Komma oder Zeilensprung bestimmt, sondern von einer zielgerichteten melodischen Entwicklung, von einer Ästhetik des wunderbar klingenden, freundlichen Fließens.

Normalerweise vertrauen die Jungs von Viva Voce ja neben ihren vokalen auf ihre eigenen instrumentalen Fähigkeiten. Aber zum Weihnachtsfest darf‘s auch ein wenig dicker sein: Mit den Nürnberger Symphonikern im Background bittet das Quintett zu „Symphonic Christmas“. Beim Auftakt der Tournee in der rappelvollen Ansbacher Hofkirche St. Gumbertus gab es dafür stehende Ovationen.

Qualität schafft sich Fans: In Windeseile war das eigentliche Programmdebüt ausgebucht, sodass es durch die flugs vorgeschaltete Vorpremiere zu einem doppelten Heimspiel in Ansbach kam. Am Pult steht mit dem Basken Enrique Ugarte nicht nur der Dirigent der Weihnachts-CD, sondern (zusammen mit Tim Jäkel) auch einer der beiden Arrangeure des festlichen Cocktails rund um die Christgeburt. Da bleibt kein Stein auf dem andern, da ziert schon mal ein Tannenbaum das Haupt: Wie immer mühelos und mit knackigen Moderationen angereichert findet das Quintett den Weg aus Kitsch und Schmalz (etwa beim „Abendsegen“ aus „Hänsel und Gretel“) in die Zone sinnlicher Empfindsamkeit.

Text auf Pachelbels Kanon

Für Viva Voce ist Weihnachten ein Gute-Laune-Fest und so hört sich „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier“ eher nach lateinamerikanischer Salsa als nach glaubensfestem protestantischen Choral an. Die Reverenz vor dem kürzlich verstorbenen Leonard Cohen mit „Halleluja“ fällt eben so geschmackvoll aus wie der eigene Song „Du bist da“, für den Pachelbels D-Dur-Kanon die Grundlage bildet.

Dazwischen fährt das Orchester mit Leroy Anderson Schlitten und darf natürlich die obligatorische Schneeanschmachtung „White Christmas“ nicht fehlen. Apropos fehlen: MaTe (Bariton Mateusz Phouhavong) wird sich bald auf eigene Pfade machen. Wer das Quintett also noch in Jetzt-Besetzung erleben möchte, dem seien die nächsten Auftritte in Würzburg (Congress Centrum, 17. Dezember), Dinkelsbühl (St. Paul, 22. Dezember) und Nürnberg (Meistersingerhalle, 26. Dezember) empfohlen. Und für alle übrigen: Es gibt ja noch die CD — „Symphonic Christmas“ mit „Viva Voce“ (Rondeau).

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