Flanieren durch London

8.1.2017, 18:23 Uhr

Sein Motto „Mein London“ erschuf nicht nur ein bunt schillerndes Porträt seiner Heimatstadt, sondern geriet zum Elixier, das Lust auf das neue Jahr bereiten konnte. Insbesondere der zweite Teil war bestens geeignet, die Laune zu heben. Dass das britische Empire nicht nur in Sachen Brexit wegweisend war, sondern auch im Bereich der leichten Unterhaltungsmuse, bewies ein bunter Katalog jener so genannten „Light-Music-Culture“ mit Werken von Eric Coates oder Ralph Vaughan Williams, die von den Symphonikern frisch und duftend ausgebreitet wurden: Coates „Merrymakers“ können den Zuhörer spontan in Last-Minute-Reisestimmung versetzen, wenn die Musik durch Covent Garden und vorbei an Westminster in den Stadtteil Knightsbridge flaniert.

Frederick Loewe unsterbliche „My Fair Lady“ rückte wiederum den Bezirk Mayfair in ein rhythmusgesättigtes Licht als funkelndes Medley vierer Erfolgstitel. Und wer bei Edward Elgars „Pomp und Circumstances Nr. 1“ und dessen emotionaler Feierlichkeit nicht ein wenig neidisch ist auf die Engländer wegen des Eigentums an diesem schönen Marsch (der als zweite Nationalhymne gilt), dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.

Nachdenklich konnte da einen allenfalls Elgars Schwanengesang seines Cello-Konzertes machen, das von jedem Cello-Virtuosen als künstlerische Herausforderung in der Königsklasse begriffen wird. Im Falle von Tim Hugh (der für die erkrankte Meehae Ryo einsprang) war dies zudem nicht nur eine sehr interessante Begegnung mit dem ersten Cellisten des London Symphony Orchestra, sondern auch ein biografischer Meilenstein in der künstlerischen Entwicklung von Alexander Shelley: Schließlich nahm er bei diesem Meister in den Jahren seiner Pubertät Unterricht auf diesem Instrument.

Erfreulich einfühlsam gelang die Interaktion zwischen dem Solisten und dem Orchester, die Tim Hugh reichlich Raum gab, Elgars Melancholie in die ausverkaufte Meistersingerhalle in überzeugender Weise hineinzutragen.

Glanzvoll eröffnet wurde das Neujahrskonzert durch Georg Friedrich Händels „Wassermusik“ (Suite Nr.1 und 2), die jahreszeitlich zwar etwas aus dem Rahmen fiel, aber mit der Erinnerung an die Themsefahrt den Genius loci in schönen Orchesterfarben herbeilockte.

Noch bis zum Klassik-Open-Air-Konzert im Sommer wird der gebürtige Londoner den Symphonikern als Chefdirigent voranstehen. Man sollte sich keine Gelegenheit in Nürnberg entgehen lassen, diesen charismatischen Mann am Pult noch zu erleben: A man who is tired of Shelley is tired of life.

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