Wut und Trauer

29.1.2017, 18:28 Uhr

Zwei der gespielten Werke waren „Romeo und Julia“-Vertonungen nach Shakespeare; die eine eine sehr bekannte aus der Feder Prokofjews, die andere eine sehr unbekannte des norwegischen Komponisten Johan Svendsen. Seine Fantasie für Orchester op. 18 von 1876 ist, anders als etwa die Werke seines Zeitgenossen Edvard Grieg, nicht der nationalen Schule verpflichtet, sie weist also keine „norwegischen“ Elemente auf.

Genauso wenig zeigt sie eine „weibliche“ Perspektive – auch wenn der Komponist sich der Macht von Frauen sicherlich bestens bewusst war, da seine temperamentvolle erste Frau in einem Ehestreit sogar das Manuskript seiner 3. Symphonie verbrannte . . .

Die Romeo und Julia-Fantasie setzt zwar zentrale Gefühle wie Wut und Trauer um, bleibt insgesamt aber eher ruhig. Köhler dirigierte die Symphoniker unaufgeregt, aber präzise, und steuerte die Dynamik sehr organisch ohne jegliche Brüche.

Vorhang auf für den Starsänger

Da Svendsens Fantasie wie eine Ouvertüre wirkte, öffnete sie quasi den Vorhang für den Solisten des Abends, den international bekannten russischen Bariton Sergei Leiferkus. Mit den Symphonikern gab er die Lieder und Tänze des Todes von Modest Mussorgsky (1875) wieder. Dmitri Schostakowitsch schuf 1962 eine Orchesterfassung der vier Lieder, ursprünglich für eine Frauenstimme gedacht (Sopranistin Galina Wischnewskaja, die Frau des Cellisten Rostropowitsch, der die Uraufführung dirigierte), heute aber meist mit tiefer Männerstimme.

Leiferkus interpretierte die Lieder, die auf Texten eines Freundes von Mussorgsky beruhen, kongenial und in perfekter Übereinstimmung mit dem Orchester. Er war gut textverständlich (sofern man etwas Russisch konnte) und stellte stimmlich den Tod und die oft mit Sarkasmus untermalte Bedrohung, die von ihm ausgeht, mit Gänsehautfaktor um – sei es, wenn ein Kind in den Tod gewiegt wurde, ein krankes Mädchen vom Tod eine Serenade gesungen bekam, ein Alkoholiker im Schnee erfror oder im Krieg gleich eine ganze Schar an Soldaten starb.

Nach der Pause ging das Sterben mit Sergei Prokofjews „Romeo und Julia“-Ballettsuite Nr. 2 und Tybalts Tod weiter. Köhler und den Symphonikern gelang eine überzeugend durchsichtige Interpretation der bekannten Suite, gedämpft nur durch die manchmal schmerzhaft unsaubere Intonation der Blechbläser. Aber zarte Flötenklänge, ein singendes Cello, saubere Streicher, nervös vorwärtsdrängende Trommelschläge und die stufenlos dynamischen Übergänge führten schließlich mit dem Tod Tybalts eindringlich zur Katastrophe. Ein nachdenklicher Abend, der unter die Haut ging.

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