Hauch des Frühlings

13.2.2017, 18:39 Uhr

Der immer wieder gern gehörte Gast berief sich energisch auf die alte Liebe zum freilich verjüngten Orchester: Zunächst mit dem frisch-fröhlichen Opus 11 des Niederländers Johan Wagenaar aus dem Jahre 1894. Dessen farbenfroh orchestrierte Sturm- und Drang-Idylle mit dem programmatischen Titel "Frühlingsgewalt" wirbelt durch die gute Stube und verbleibt dabei doch in wohl geordneten Bahnen. Das wirkt durch und durch sonnig, erinnert an Mendelssohn wie Berlioz — und stimmte freundlich ein auf die dunkleren Stimmungsregister, die rasch folgten. Noch feiert man am Schwungrad temperamentvoll inszenierter Naturhaftigkeit die Kraft des Frühlings.

Als Kontrastwert fesselte die fein austarierte Rhetorik der ebenfalls niederländischen Solistin: Aus Quirine Viersens feinnervigem, flüssigem Cellospiel winkt Lehrmeister Heinrich Schiff und der virtuose Bach-Interpret heraus, ohne dass der ureigene, emotional mitschwingende und warm gefärbte Grundton ins Wanken gerät. Hoch ist der Grad an Selbstreflexion, da sitzt jede Phrasierung und jede Akzentuierung wirkt in schönster Engführung mit dem Orchester passgenau kalkuliert.

So erklingt Schumanns tragisch umwehtes, das noch in der Nervenheilanstalt rastlos überarbeitete Cellokonzert in a-moll wie in sakrale Strenge und große Weite getaucht: Kein rhapsodischer Schwanengesang, sondern ein zergliederter, atemloser Bericht einer bereits erlebten Katastrophe.

Nach der Pause wartete ein weiteres Spätwerk: Mit seiner im Kopfsatz energisch-wuchtigen, im Finalsatz freilich auch zersplitternden Version von Brahms' Vierter setzte van Steen auf voluminöse Klangkonturen und eigensinnige, teils schleppende Tempi. So erklingt der Finalsatz "Allegro energico e passionato" schließlich als stockendes Largo.

Und das vorausgegangene Allegro giocoso (scherzend) pochte mit allerlei Getingel und Getangel so sehr auf seine glänzende Stimmung, dass das prekäre Kippbild schon in die Schieflage geriet. Energielos, depressiv und müde klangen bereits die Hornrufe im Andante: Ein misslingender Versuch der Selbsttröstung angesichts fortschreitenden Verlusts von Handlungsmacht. Langer Applaus für den ehemaligen Chefdirigenten, bevor der Nachfolger aus Singapur nach der Ära Shelley den Stab übernehmen wird.

 

Keine Kommentare