Hartz-IV-Urteil löst Freude und Sorge aus

10.2.2010, 00:00 Uhr
Hartz-IV-Urteil löst Freude und Sorge aus

© Winckler

Weder die Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II (Alg II) für Erwachsene noch das Sozialgeld für Kinder genügten «dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums», hieß es zur Urteilsbegründung in Karlsruhe. Die Richter fordern nicht explizit höhere Hartz-IV-Sätze, sondern mehr Transparenz bei deren Berechnung.

In Fürth leben in 5100 Bedarfsgemeinschaften 10 000 Hilfeempfänger, 2815 unter 15 Jahre. Zurzeit bekommen Langzeitarbeitslose im Monat 359 Euro. Die Leistungen für Kinder sind davon abgeleitet: Es gibt 215 Euro (60 Prozent) für Kinder bis sechs, 251 Euro (70 Prozent) bis 14, 287 Euro (80 Prozent) bis 18 Jahre.

«Der willkürliche prozentuale Abschlag bei Kindern war schon immer Unsinn», sagt Stephan Stadlbauer, Sprecher des Sozialforums, der sich über die Einschätzung der Richter freute. Denn: Kinder in der Wachstumsphase bräuchten ja häufiger neue Kleidung als Erwachsene. Und: «Wer wächst und sich bewegt, isst nicht zwangsläufig weniger als ein Erwachsener.» Dass die Richter die Bundesregierung auffordern, den Bedarf der Kinder bis 2011 «realitätsgerecht» zu bemessen, war für Stadlbauer überfällig.

Auch Arge-Chefin Michaela Vogelreuther sieht hier Nachbesserungsbedarf. Dass der Bund seit 2009 bedürftigen Familien zum Schuljahresbeginn auf Antrag mit 100 Euro pro Kind unter die Arme greift, hält sie für richtig. Sinnvoll wären ihres Erachtens weitere punktuelle Unterstützungen wie es sie auch schon für Klassenfahrten gibt, etwa bei Konfirmation und Kommunion. Für indiskutabel hält Vogelreuther die staatliche Finanzierung von allem, was über das Nötigste hinausgeht, also etwa von Klavierstunden für Hartz-IV-Kinder. «Wir können da nicht jeden Wunsch erfüllen. Wie sollte man das vor Eltern rechtfertigen, die arbeiten gehen, sich das aber nicht leisten können?»

Um Gerechtigkeit geht es der Arge-Chefin auch bei den Regelsätzen. Sie verweist auf das Lohnabstandsgebot und gibt zu bedenken, dass die geforderte Hartz-IV-Revision ja die Sätze für Erwachsene einschließt. «Die sind nicht üppig», räumt sie ein, «trotzdem ist es schon jetzt für Hilfeempfänger nicht attraktiv zu arbeiten.» Während Stadlbauer die Forderung nach einem Abstand zu den unteren Einkommensgruppen für unsinnig hält («Was sind das für Löhne, die nicht mal das Existenzminimum garantieren?») und Langzeitarbeitslosen, wenn er könnte, 500 Euro pro Monat bewilligen würde, warnt Vogelreuther: «Jeder Euro mehr vergrößert den Kreis der Hilfeempfänger. Das trifft den Bund, der den Regelsatz bezahlt, und die Kommunen, die die Kosten für die Unterkunft bezahlen.» Grund sind die «Aufstocker», Menschen, die so wenig verdienen, dass ihnen ergänzend zu ihrem Lohn finanzielle Hilfe bis zur Höhe des Hartz-IV-Satzes zusteht.

20 Millionen Euro gibt die Stadt pro Jahr für Miete und Heizung ihrer Alg-II-Empfänger aus. «Brutto», sagt Kämmerin Stefanie Ammon. 23 Prozent zahle der Bund dazu. Was sie ärgert: «Der Zuschuss schrumpft seit Jahren, von 29,2 auf nun 23 Prozent.» Angesichts der Ebbe in der Stadtkasse kann Ammon nur hoffen, dass die Hartz-IV-Sätze, wenn überhaupt, moderat erhöht werden.