Von der Magie abgeklärter Meisterschaft

17.9.2017, 18:59 Uhr
Von der Magie abgeklärter Meisterschaft

© Foto: Ralf Rödel

Das passiert wirklich ganz selten, dass sich alle Zuhörer im Saal erheben, wenn ein Solokünstler das Podium betritt. Als Menahem Pressler behutsam geführt von Lady Annabelle Weidenfeld den Weg zum Steinway beschreitet, schwappt schon die erste Welle der Sympathie vom Publikum auf den zierlichen Künstler, der doch in seinem Metier ein ganz Großer ist.

Der philanthropischen Aura des 93-Jährigen kann sich auch ein gestandener Pianist wie Stefan Danhof nicht entziehen: "Die Augen und der musikalische Instinkt von Pressler sind hellwach". Und so empfindet er es als große Ehre, für die Klavierlegende die Noten umblättern zu dürfen.

Wiedervorlage nach 45 Jahren

45 Jahre lag die Partitur von Beethovens C-Dur-Konzert in Presslers Kommode. Nun spielt er dieses Stück aus dem Sturm und Drang in Nürnberg und Weißenburg und nächste Woche in seiner Geburtsstadt Magdeburg.

Natürlich darf man von einem hochbetagten Interpreten nicht die allerletzte Präzision erwarten. Aber da er immer ein Muster an technischer Perfektion war, findet Pressler schnell hinein. Und hat in den Symphonikern und dem ganz hervorragenden finnischen Dirigenten Ari Rasilainen Partner, die auch heikle Momente gekonnt wieder einrenken.

Natürlich kann man das selbstbewusst auftrumpfende, durchaus revolutionär inspirierte Werk weitaus dramatischer und kerniger auffassen. Aber auch Presslers kammermusikalisch-abgeklärte, aus der Stille geborene Lesart wirft ein besonderes Schlaglicht auf die drei Sätze. Der Verzicht auf vordergründige Effekte zwingt zum nuancierten Zuhören.

Und genau darum geht es Pressler, was er in den Zugaben nachhaltig unterstreicht. Während er sich beim Benefizkonzert im Musiksaal für Chopin entscheidet, darf sich das Stammpublikum in der Meistersingerhalle an Debussy erfreuen. Zweifellos eine hochemotionale Begegnung, die man nicht allein am musikalischen Ertrag bewerten sollte.

Seit einigen Jahren beginnen die Symphoniker die neue Saison mit einer Auftragskomposition. Dieses Mal wurde der in München lebende Schwede Henrik Ajax (Jahrgang 1980) um eine Orchesternovität gebeten. Er wählte ein Zitat aus den Tischreden (". . .wer hat das in den Sternen gesehen?"), in dem Martin Luther über die Wechselfälle der eigenen mäandernden Biographie sinniert.

Orchesterstudie über Luther

Die zwölfminütige Studie arbeitet mit Lautstärken-Fragilität, aus der sich immer wieder kleine Explosionen lösen. Das ist gekonnt gearbeitet, aber das behauptete dreimalige Zitat des Luther-Chorals "Verleih uns Frieden gnädiglich" war nicht einmal in harmonischen Spurenelementen erkennbar. Höflicher Beifall für den angereisten Tonkünstler.

Nach der Pause brillierten die Symphoniker in der lichtdurchflutetsten Komposition, die es von Johannes Brahms gibt. Die zweite Symphonie ist an Optimismus und Schwerelosigkeit ein Unikat im Gesamtwerk. Ari Rasilainen entwickelte mit den auf vielen Positionen veränderten Symphonikern auf transparentem Streicherfundament fußend ein schwungvolles, heiteres, ja ausgelassenes Bekenntnis zur Daseinsfreude. Mitreißender Brioglanz und ansteckende Spielfreude prägten den ersten Schritt der Nach-Shelley-Zeit.

Nächstes Symphoniker-Konzert: 24. September, 16.30 Uhr, Meistersingerhalle. Daye Lin dirigiert Glinka, Walton und Tschaikowsky. Kartentel. 09 11 / 4 74 01 54.

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