Hat Fürth den ältesten Kindergarten Deutschlands?

23.10.2018, 16:00 Uhr
Hat Fürth den ältesten Kindergarten Deutschlands?

© Hans-Joachim Winckler

Neue Toiletten und Fenster, Lärmschutzwände und ein cooler Kletterturm: Passend zum 100. Geburtstag wurde der Kindergarten St. Martin generalsaniert. Die Stadt hat den Umbau – wie bei diesen Maßnahmen üblich – zum größten Teil mitfinanziert. Ihre Jubiläumsfeier durften die Kinder gleich mit dem neuen Spielgerät, dem Kletterturm, begehen. Fertiggestellt wurde das Gebäude bereits vor den Sommerferien, pünktlich zum Start des neuen Kindergartenjahrs wurde es dann eingeweiht.

Die Einrichtung blickt auf eine lange Geschichte zurück: Ihre Pforten öffnet sie, damals noch ansässig in der Vacher Straße 44, am 1. März 1918. Sie geht auf die Initiative des "Vereins zur Förderung der Lehmus’schen Kinderbewahranstalten" zurück, der am 13. Juni 1917 die Gründung einer Kinderschule im Fürther Westen ins Auge fasste. "Das ist in der Gemeindechronik nachzulesen", sagt St. Martin-Pfarrer Kuno Hauck, der die Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen begleitete.

Der besagte Verein führte damals das Vermächtnis des 1890 gestorbenen Fürther Pfarrers Friedrich Lehmus fort, denn: Lehmus tat mehr für den Fürther Nachwuchs des 19. Jahrhunderts, als die meisten heute wissen. 1837 gründete der Pfarrer von St. Michael im Haus Königstraße 110 die erste "Kleinkinderbewahranstalt" der Stadt, die laut Lehmus vermeiden sollte, dass Fürths Mädchen und Buben "leiblich und geistig verkümmerten".

Kinder zuhause eingeschlossen

Damals treibt die zunehmende Industrialisierung die Menschen in die Städte, wo sie Arbeit suchen. Manchmal muss neben dem Vater auch die Mutter in den Fabriken schuften, damit die Familie über die Runden kommt. Der Nachwuchs wird nicht selten zuhause eingeschlossen, bis er schulpflichtig ist – oder die älteren Geschwister bleiben dem Unterricht fern und vermitteln ihr Wissen den Jüngeren.

Lehmus hatte durchaus Verständnis für die Situation der Eltern, schließlich mussten sie das Geld für die Familie verdienen. Er suchte nach einer Lösung, die nicht auf Kosten der Bildung der Kinder ging. Das Thema war dem Geistlichen wichtig. Als der bayerische König Ludwig mehrfach dazu aufruft, Kinderbewahranstalten einzurichten, nutzt Lehmus die Chance. Diese Einrichtungen gab es zu diesem Zeitpunkt bereits in einigen Städten Deutschlands; sie waren jedoch nur dazu gedacht, die Kinder zu hüten und unterzubringen, bis die Eltern sie abholten.

Lehmus aber entwickelte ein eigenes Konzept für seine Kinderbewahranstalt: Das Aufpassen sollte hier mit ersten pädagogischen Aspekten verschmolzen, Kleinkinder sollten spielerisch an die Schule herangeführt werden. Das entspricht dem Konzept einer Vorschule, wie es in Kindergärten noch heute üblich ist.

Ruhm ging an den Falschen

Ist Lehmus’ Einrichtung dann womöglich der erste "echte" Kindergarten Deutschlands? Die Fürther Historikerin Barbara Ohm beantwortet diese Frage mit einem Ja. Eine von Friedrich Fröbel in Bad Blankenburg gegründete Einrichtung, die gemeinhin als der erste Kindergarten bezeichnet wird, entstand nämlich erst im Jahr 1840.

Übrigens gab es bereits 1832 eine Kinderbewahranstalt in Burgfarrnbach, das damals noch nicht zu Fürth gehörte. Sie war aber nach heutigen Erkenntnissen nur zur Betreuung vorgesehen; ob dort auch schon pädagogische Ansätze vermittelt wurden, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.

Der Kindergarten Gräfin Ottilie in Stein, einst als Kinderbewahranstalt eröffnet von Lothar von Faber, zählt dank seines Gründungsjahres 1851 ebenfalls zu den ältesten Kindergärten Deutschlands.

Lehmus’ einstige Kinderbewahranstalt St. Michael besteht heute aus einem Hort, und zwei Kindergärten: dem Storchennest samt Krippe am Kirchenplatz und der Kita Sonnenschein in der Erlanger Straße.

Keine Kommentare