Die SPD im Zwiespalt

6.8.2008, 00:00 Uhr
Die SPD im Zwiespalt

Sepp Körbl mag schon gar nicht mehr hinsehen und nicht mehr hinhören. Der 45-Jährige, seit Mai neuer Chef der SPD-Fraktion im Fürther Stadtrat, leidet unter der Neigung seiner Parteifreunde zu öffentlichkeitswirksamen Streitigkeiten und sagt: «Diese Vielstimmigkeit ist manchmal unerträglich und nullkommanull hilfreich.« Man könne all das durchaus als Führungsschwäche interpretieren, meint Körbl und attestiert dem Vorsitzenden Kurt Beck: «Er macht nicht immer eine glückliche Figur.«

Auch das Ausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement hält Körbl für grundfalsch, und deshalb hat er dieser Tage etwas getan, das er sonst nie tut: Er brachte bei einer Internet-Abstimmung zum Thema Clement seine Meinung zum Ausdruck. «Das Gebot der Meinungsfreiheit ist höher zu bewerten als ein Parteirauswurf«, findet Körbl. Erst wenn Clement zum Wiederholungstäter werde und erneut versteckt empfehle, das Wahl-Kreuzchen lieber nicht bei der SPD zu machen, wäre ein Ausschluss in seinen Augen gerechtfertigt.

Nicht einmal Rudi Lindner, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), erklärter Agenda-2010-Gegner und «einer der wenigen Linken« in der Fürther SPD, wie er selbst sagt, will sich am Genossen Clement allzu sehr reiben. Dessen Aussage im hessischen Wahlkampf sei «eine von vielen dummen Meinungsäußerungen aus seinem Mund gewesen«, sagt der 54-Jährige. «Unsolidarisch« zwar, aber keinen Ausschluss wert. «Das wird jetzt zu sehr aufgebauscht. Eine Rüge würde reichen«, glaubt Lindner.

Scharf ins Gericht mit Clement geht hingegen der Chef der Landkreis-SPD, Michael Bischoff: In der Sache seien dessen Äußerungen «eine Unverschämtheit«. Von einem Querdenker könne keine Rede sein, vielmehr werde Clement auch in der Öffentlichkeit in erster Linie «längst nicht mehr als SPD-Politiker, sondern als Lobbyist der Atomwirtschaft wahrgenommen«, meint Bischoff. Außerdem gehöre der ehemalige nordrheinwestfälische Ministerpräsident zu der Kategorie von Politikern, die zwar die Agenda 2010 und Hartz IV knallhart vertreten, die Bedürfnisse der Menschen aber nicht verstanden hätten.

Noch immer werde er an Infoständen im Landtagswahlkampf von Wählern angesprochen, die den Sozialdemokraten deswegen den Rücken gekehrt hätten, berichtet Bischoff. Man müsse eine Möglichkeit finden, Clement in der Partei «kaltzustellen«, ohne ihn mittels eines Parteiausschlussverfahrens aufzuwerten. Seine persönliche Empfehlung an den politischen Ruheständler: «Klappe halten«.

Entspannter betrachtet Veitsbronns Bürgermeister Peter Lerch die Situation. Die SPD könne niemand in ihren Reihen dulden, der vor einer Landtagswahl dazu aufrufe, die eigene Partei nicht zu wählen. Rechtlich seien die Voraussetzungen für ein Parteiausschluss-Verfahren mithin gegeben. «Die Frage ist aber, ob man es macht«, sagt Lerch, der für einen Kompromiss plädiert. Es gelte, eine Brücke zu bauen, die von beiden Seiten betreten werden müsse.

Sein Wilhermsdorfer Amtskollege Harry Scheuenstuhl geht noch einen Schritt weiter und rät zum gelassenen Umgang mit dem streitbaren Genossen: «Politisch stimme ich mit Clement nicht überein, aber meiner Meinung nach muss die SPD einen Polit-Rentner nicht so wichtig nehmen.«