E-Busse für die Umwelt? Experte fällt vernichtendes Urteil

27.3.2019, 05:19 Uhr
E-Busse für die Umwelt? Experte fällt vernichtendes Urteil

© Christoph Schmidt/dpa

Technologieoffenheit ist ein Begriff, den viele Politiker gern verwenden. Er bedeutet: Wie die Industrie ein vorgegebenes Ziel – etwa Emissionsgrenzwerte – erreicht, ist ihr überlassen. Hauptsache das Ergebnis stimmt.

Doch wenn es um Elektromobilität geht, gilt das Prinzip der Nicht-Einmischung offenbar nicht. Sowohl die EU als auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geben mit ihrer Förderpolitik den Weg vor: Die Busse im Nahverkehr sollen elektrisch fahren, dann werden sie gefördert.

Es werden sogar feste Quoten diktiert, erregt sich Ralph Pütz, der auch Geschäftsführer des Instituts für angewandte Nutzfahrzeugtechnik (Belico GmbH) ist. Pütz ist außerdem CSU-Mitglied und war bei BMW tätig. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der die Maßgabe
einer Technologieneutralität völlig ad absurdum führt und diese durch eine Technologiediktatur ersetzt." Wenn es um lokale Emissionen geht, braucht man keine E-Busse im Nahverkehr, findet er. Busse mit modernen abgasnachbehandelten Verbrennungsmotoren der Stufe Euro VI seien "lokal hoch sauber und weisen ein Nahe-Null-Emissionsniveau auf".

E-Busse für die Umwelt? Experte fällt vernichtendes Urteil

© Foto: T. Hosemann, Stadtwerke

Die Stadtwerke Augsburg gehen einen anderen Weg. Seit 2011 fahren sämtliche fast 100 städtische Busse mit Biomethan, das in seinen Eigenschaften mit Erdgas identisch ist. Der Unterschied: Biomethan entsteht durch Vergärung von Stroh und anderen landwirtschaftlichen Abfallstoffen, so dass bei der Verbrennung kein zusätzliches Kohlendioxid entsteht.

"Der Elektrobus ist nicht das Maß aller Dinge", ist Klaus Röder, Chef des Augsburger Stadtwerke-Fuhrparks, überzeugt. "Elektrobusse kosten viel, sind aber reine Symbolik", behauptet Timm Kehler, Vorstand der Lobbyorganisation Zukunft Erdgas.

Nürnberg hat Umstellung bereits beschlossen

Als Augsburg das Biomethan-Zeitalter einleitete, war die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) von der Fuggerstadt als Modellstadt für Erdgas begeistert. Doch heute ist der Bundesregierung jede Alternative zur Elektromobilität scheinbar lästig. Immerhin: Aus den Fördertöpfen des Freistaats Bayern werden emissionsarme Antriebe wie Erdgasbusse mit etwa 10.000 Euro gefördert – ein Klacks gegen das, was die amtierende Bundesumweltministerin für E-Busse anbietet.

Ingenieur Ralph Pütz hält nicht viel von E-Bussen.

Ingenieur Ralph Pütz hält nicht viel von E-Bussen. © Foto: privat

So ist zum Beispiel in Nürnberg schon die Entscheidung für die Umstellung auf E-Betrieb gefallen, obwohl fast die Hälfte der Flotte dort derzeit gasbetrieben ist. Da sich der Preis für Bioerdgas nach oben bewegt habe, fahre man jetzt wieder mit Erdgas, hieß es von Seiten der VAG: "Sollte der Preis wieder sinken, würden wir die Entscheidung sicherlich wieder überdenken."

Elektrisch betriebene ÖPNV-Busse sind ohne Zuschuss teurer: Der Preisaufschlag zu Diesel- und Gas-Bussen liegt zwischen 61 bis 156 Prozent. Darüber hinaus kann ein Batterie-Bus einen Omnibus mit Verbrennungsmotor wegen seiner geringeren Reichweite nicht vollständig ersetzen.

Der E-Bus weist nach den Untersuchungen von Pütz eine viel geringere Reichweite oder geringere Fahrgastkapazität auf. Im morgendlichen Berufsverkehr brauche man zwei über Nacht aufgeladene Elektrobusse, um ein Dieselfahrzeug zu ersetzen. Im Winter verschärften sich die Probleme mit der reduzierten Reichweite von E-Bussen noch zusätzlich. Wenn man – wie in Berlin – in Elektrobussen eine Dieselbrennerheizung einsetze, könne von lokaler Nullemission nicht mehr die Rede sein.

"Die beste ökologische Option"

Mehr noch: Die Nachtlade-Infrastruktur für eine Busflotte wie sie etwa Augsburg betreibt, kostet nach Angaben von Pütz etwa 30 Millionen Euro. Würde man die Flotte auf Elektrobetrieb umstellen, müsste man ein eigenes Kraftwerk aufbauen, um zu verhindern, dass in der näheren
Umgebung die Lichter ausgehen, bestätigt der Augsburger Praktiker Klaus Röder.

Woher kommt der Strom für die Busse? Selbst wenn unter optimistischen Annahmen der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix in einigen Jahren 45 Prozent erreichen sollte, seien Biogas-Busse immer noch "die beste ökologische Option", sagt Professor Pütz. Die Bundesregierung blende völlig aus, dass man nicht nur die Emissionen im Fahrbetrieb, sondern auch bei der Kraftstoffbereitstellung und Fahrzeugproduktion betrachten müsste. Dies einbezogen sei Elektromobilität in Deutschland heute ökologisch klar im Nachteil.

Die Umstellung kommunaler ÖPNV-Flotten auf Betrieb mit Biogas wäre demnach schneller und vor allem kostengünstiger als die Anschaffung vieler Tausender Elektrobusse. Das würde bis 2030 um die 30 Milliarden Euro kosten, was "unweigerlich zum Anstieg von Fahrpreisen oder Einsparungen in anderen Bereichen führen muss", meint Pütz.

Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) sieht keine Möglichkeit, das einseitig auf E-Mobilität ausgerichtete Förderkonzept der Bundesumweltministerin zu beeinflussen. Eine Beteiligung der Länder bei den Förderprogrammen zur Elektromobilität des Bundes "erfolgte nicht", hieß es. Reichhart bekennt sich zur Technologieneutralität: "Wir sollten uns nicht nur auf eine Antriebstechnologie festlegen, sondern Raum für Kreativität und Erfinderreichtum lassen."

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