Werkstättenmesse zündet erneut Ideenfeuerwerk

27.3.2019, 19:11 Uhr

Schließlich richte sich die Werkstättenmesse gleichermaßen an den Fachbesucher wie auch an den Endverbraucher, so Arnold. Ob Holzspielwaren, Taschen, Körbe oder Keramik – wer einkaufen gehen möchte, wird bei der "Leistungsschau der Werkstätten" (Arnold) auf 10 000 Quadratmetern fündig. Dass sich die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in so einer Breite präsentieren können, sei deutschlandweit einmalig, sagt der Abteilungsleiter für Partner- und Publikumsveranstaltungen bei der NürnbergMesse.

Die NürnbergMesse ist Veranstalter, als ideeller Träger der Werkstättenmesse fungiert indes die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM). Martin Berg, Vorstandsvorsitzender der BAG WfbM, betont die Bedeutung, die die Arbeit in den Werkstätten für das Selbstwertgefühl der Menschen mit Behinderung hat. Die Messe steht diesmal unter dem Motto "Inklusion (er)leben". Die Debatte zum Thema Inklusion – also der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben – werde mitunter "zu einseitig" geführt, kritisiert Berg. Man benötige auch künftig Werkstätten als beschützende Einrichtungen für jene Menschen, für die es schwierig sei, sich auf dem regulären Arbeitsmarkt zu behaupten. Die Werkstätten leisteten daher einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, die vor zehn Jahren in Deutschland in Kraft trat.

Jürgen Thewes, Vorstandsmitglied der Werkstatträte Deutschland, kann da nur zustimmen. Er habe selbst die "Schattenseiten" der freien Wirtschaft kennengelernt, sagt der Interessenvertreter der Werkstattbeschäftigten. "In den Werkstätten ist der Druck nicht so hoch." Es sei aber auch wichtig, die Debatte nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu führen. Die Menschen mit Behinderung müssten selbst entscheiden können, was für sie der richtige Weg ist: "Das kann der Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft, der Inklusionsbetrieb oder eben die Werkstatt sein." Deutschlandweit gibt es über 700 Werkstätten mit 2850 Betriebsstätten und über 310 000 Beschäftigten.

Auf dem Messegelände kann man bis Samstag zahlreiche dieser Werkstätten und ihre Produkte kennenlernen. Die Lebenshilfe Gießen zum Beispiel hat Postkarten mit originellen Slogans dabei – etwa "Reden ist wie WhatsApp, nur viel geiler!" oder "Lieber schlecht in Mathe als gar nichts können!" Gefüllt sind die Karten mit Kaffee oder Trinkschokolade aus fairer Produktion. Bei der Lebenshilfe Nürnberg gibt es Seifen und Duschgels aus natürlichen Zutaten, bei der Diakonie Neuendettelsau kann man Osterkarten basteln. Wer seinen Messebesuch sportlich gestalten möchte, sollte beim Stand des bayerischen Verbandes für Behinderten- und Rehabilitationssport (BVS Bayern) vorbeischauen. Dort können Interessierte etwa Tischtennis oder Boccia spielen.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum BVS Bayern richtet die Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes ein Hallenfußballturnier für die Werkstätten aus, zudem präsentiert sich ein stolzer Traditionsverein: Der TSV 1860 München stellt seine Angebote im Bereich des Behindertensports vor.

Wer sich über sozialrechtliche Fragen informieren möchte, hat dazu ebenfalls an vielen Ständen die Gelegenheit. Das Bundessozialministerium ist ebenso vertreten wie das Zentrum Bayern für Familie und Soziales sowie der Bezirk Mittelfranken. Einen eigenen Stand hat diesmal das Saarland, das sich mit seiner Werkstättenlandschaft vorstellen darf. Dort kann man sich Wurstwaren schmecken lassen. Wer größeren Hunger hat, kann bei Lili Catering einen Chickenburger oder Grüne Soße bestellen.

Den Wissensdurst wiederum löscht ein umfangreiches Begleitprogramm – rund 90 Fachvorträge stehen an den ersten drei Messetagen auf dem Programm. Themen sind dabei unter anderem der Einfluss des digitalen Wandels auf die Welt der Werkstätten und die gerechte Entlohnung der Beschäftigten in den Einrichtungen.

Der "Exzellent-Preis" der BAG WfbM, mit dem der Ideenreichtum der Werkstätten gewürdigt wird, geht diesmal unter anderem an die Camphill-Werkstätten aus Überlingen für das Projekt "Nudel Emma". Menschen mit Behinderung werden hierbei in einem Bistro bei der Zubereitung von Nudelgerichten durch moderne Technik unterstützt.

mMessezentrum, Eingang West, Halle 12. Eintritt: 9 Euro, ermäßigt 6 Euro, Nachmittagsticket (ab 14 Uhr) 4,50 Euro. Do., Fr. und Sa. 9–17 Uhr.

Keine Kommentare