18. Mai 1962: Wasser mit Bier und Regen

18.5.2012, 06:58 Uhr
18. Mai 1962: Wasser mit Bier und Regen

© Gerardi

Die Bauern im Gemüsegarten vor den Toren der Stadt feierten gestern stilgerecht die drei Beregnungsanlagen ihres Wasserverbandes, die von nun an die Fluren von Großreuth, Kleinreuth und Wetzendorf-Süd von den Launen des Wetters unabhängig machen.

Diesen Anfang bejubelten die Festredner als „historisches Ereignis“. In spätestens einem Jahr will der Verband 300 Hektar Land aus mehr als 30 Tiefbrunnen mit Wasser versorgen. Die Stadtbevölkerung soll diesen Fortschritt am Gemüseangebot erkennen.

18. Mai 1962: Wasser mit Bier und Regen

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Es schien fast, als wollte der Himmel die irdische Konkurrenz verhöhnen: die Festversammlung vor dem Kleinreuther Wasserspeicher mußte sich unter großen Regenschirmen verstecken, weil es so heftig regnete. Aber er schloß doch für ein Weilchen seine Schleusen, damit sich das Wasser, das da aus allen Rohren spritzte, sehen lassen konnte. Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, dessen Gattin betont folkloristisch mit Trachtenhut erschienen war, warf persönlich den Schalthebel herum, der zwei Pumpen im Spritzenhaus vor dem Speicherbecken für 1700 Kubikmeter in Bewegung setzt. Über erdverlegte Leitungen schlängelte sich das Wasser zu den Feldern, auf denen der Salat und die Kohlrabi-Köpfe an diesem Tag mit Wasser geradezu verwöhnt wurden. 195 000 Mark mußten verbaut werden, bis es soweit war.

Als „Beweis für den Optimismus“ der Knoblauchsländer stellte der Oberbürgermeister die Anlage hin, die noch dazu – wie der Direktor des Bauernverbandes in Mittelfranken, Heinrich Ermann, hervorhob – mitten in einem flurbereinigten Gebiet steht. Dr. Urschlechter versicherte den Bauern: „Die Stadt wird immer auch ein Vater für das Knoblauchsland sein!“ Dann reihte er sich mit den anderen Ehrengästen in die Formation hinter die Blaskapelle Hans Gnad. Im Marschtritt ging´s über Felder und Fluren nach Großreuth, wo schon wieder ein Pumpenhaus zu feiern war.

18. Mai 1962: Wasser mit Bier und Regen

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Dort war es Regierungspräsident Karl Burghardt, der an den Hebel trat und das Kommando „Wasser marsch“ gab. Er nannte den Entschluß der Bauern „beispielhaft“. Sein Wunsch für die wagemutigen Landwirte war herzlich: „Glückauf für die Zukunft auf dem Wasser“. Dafür sorgt in Großreuth ebenfalls ein 60 Meter tiefer Brunnen, der das Speicherbecken füllt und 280 Schwachregner bedient; für 230 000 Mark ist die Anlage errichtet worden, die Bauern haben dabei selbst mit Hand angelegt.

 



Weil zuviel Wasser vom Himmel kam und neben den Feldern auch die Füße naß wurden, fand der Rest des Wasserfestes im Saale statt. Direktor Erdmann, im Nebenamt auch noch Vorsteher des Wasserverbandes Knoblauchsland, hatte dafür das Gasthaus mit dem sympbolträchtigen Namen „Friedenslinde“ gewählt, denn bei den ersten Besprechungen über die Beregnungsanlagen und die Flurbereinigung ist es nicht immer gerade friedlich hergegangen. An diesem Tag aber herrschte eitel Freude, der Spargel schmeckte – und das Bier, um wieder zum köstlichen Naß zu kommen, natürlich auch.



Die Erinnerung an die alten Zeiten beschwor noch einmal Baurat Lehner vom Wasserwirtschaftsamt mit einem Rückblick auf das Jahr 1952, als die Bauern ihre Landwirtschaft auf Gemüse umgestellt und zum erstenmal mehr Wasser gefordert haben. Er hat später in vielen Besprechungen – „Ich habe viele Wirtshäuser durchwandert, bis der Wasserverband gegründet war“ – mit den Bauern gerungen und nicht immer soviel Lobesworte zu hören bekommen wie an diesem Tag, an dem Heinrich Ermann sogar die Behörden streichelte. Im Saale schließlich gab´s auch für die Wetzendorfer die Urkunde über die fertige Beregnungsanlage; zu ihnen hatte man die Prominenz nicht auch marschieren lassen.

Noch wird im Knoblauchsland an Brunnen und anderen Problemen gebohrt. Aber es wird dort bald weitere Feste zu feiern geben. 

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 18. Mai 1962

 

 


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