18. September 1962: Sturm auf die schweren Panzer

18.9.2012, 06:41 Uhr
18. September 1962: Sturm auf die schweren Panzer

© Ulrich

Die Nürnberger, voran die Buben, erstürmten die 47 Tonnen schweren Ungetüme förmlich. Hoch oben in den Türmen der amerikanischen Panzer vom Typ M 47 mit ihrer 90-Millimeter-Kanone hockten 10- und 12jährige Schüler unterm Stahlhelm an den Maschinengewehren; sie luden so oft durch, daß selbst erfahrene Soldaten mit der Zeit um ihre Waffen bangten. Als ein Hubschrauber aus dme nahen Roth herbeischwebte, richteten sich automatisch Dutzende von Maschinenpistolen in Bubenhänden auf den „Vogel“. Er kam dennoch sicher an sein Ziel, weil die Bundeswehr die Munition an diesem „Tag der offenen Tür“ wohl verwahrt hatte.

Sie schossen aus allen Rohren

Trotzdem aber krachte es auf dem amerikanischen Uebungsgelände aus deutschen Kanonen so heftig, daß den Zivilisten – unter ihnen vielen Familienangehörige – Hören und Sehen verging. Zwei der Panzer, die sich am Vormittag mit den anderen im 30-Stundenkilometer-Tempo über den Autobahnzubringer nach Nürnberg bewegt hatten, schossen aus allen Rohren, wenn auch nur mit Kartuschen. Dennoch hatten die Zuschauer den Eindruck, daß es kräftig einschlägt, weil man ihnen an den Zielscheiben ein kleines Feuerwerk vorzauberte.

18. September 1962: Sturm auf die schweren Panzer

© Ulrich



Waren die Panzer auch die größte Attraktion für die Besucherscharen, die selbst Bataillonskommandeur Oberstleutnant Preßler Respekt und Erstaunen abnötigten, so gab es für sie auch sonst noch allerhand zu sehen. Der Troß des Bataillons war beachtlich genug: er machte immerhin 150 Fahrzeuge – vom Schützenwagen bis zum Gulaschkanonen-Nachfolger, der komfortablen Feldküche – aus.

Ueberall spitzten die Männer und Frauen, die da unter den Kanonen einherwandelten, interessiert hinein. Sie wollten es schon genau wissen, wie die Soldaten in den Zweimann-Zelten schlafen, wie es in einem Funkwagen aussihet und wie die Feldküche für das leibliche Wohl von Offizieren und Mannschaften sorgt. Daß sich die Soldaten in warme Schlafsäcke einmummeln können, war vielen angesichts der sinkenden Temperaturen am Abend schon ein großer Trost. Trotzdem hätten aber wohl die wenigsten gerne mit ihnen getauscht.

Die Prominenz „drang ein“

Am tiefsten in die Materie des Panzerfahrens freilich konnte die Prominenz eindringen. So ließ es sich beispielsweise Erster Staatsanwalt Hans Sachs, Verkehrsexperte bei Gericht, nicht nehmen, einmal selbst in einem Panzer zu fahren. Er hatte sich schon in so vielen Sätteln gerecht gezeigt, daß man ihm den Wunsch nicht ausschlug, obwohl so ein M 47 auf 100 Kilometer immerhin fast den ganzen Tankinhalt von 860 Litern Benzin verbraucht.

Wir selbst durften auch einmal nachempfinden, was es heißt, Panzersoldat zu sein. Mit dröhnenden Motoren machte sich ein 47-Tonnen-Koloß los, um uns durch das hügelige Gelände zu schaukeln, daß uns der Dreck nur so um die Ohren flog und die Aeste um die Köpfe wedelten. Es war eine Berg- und Talfahrt wie sie kein Volksfest zu bieten vermag, bei der keiner das Wort des anderen auf einen Meter Entfernung verstehen konnte. Nur über Funk war eine Verständigung vom Turm zu den unteren Sitzen „in der Luke“ möglich.

Andererseits nahm der Panzer mühelos selbst die tiefsten Gräben; er räumte alle Hindernisse aus dem Weg und blieb selbst da noch auf der Höhe, wo unsere Wagen längst mit Achsenbruch liegengeblieben wären. Gelegentlich wünschte man sich so ein Fahrzeug im Stadtverkehr...


Aus den Nürnberger Nachrichten vom 18. September 1962

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