19. Oktober 1963: Ein Wendepunkt im Aufbau von Langwasser

19.10.2013, 06:40 Uhr
19. Oktober 1963: Ein Wendepunkt im Aufbau von Langwasser

© Gerardi

Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt (WBG), die bisher 1000 Eigenheime und Wohnungen erstellt hat, teilt sich von nun an mit anderen Unternehmen in die große Aufgabe, die Trabantenstadt zu schaffen. „Das ist der Anfang einer verstärkten Bautätigkeit“, verkündete gestern WBG-Direktor Joseph Haas.

80 000 qm Bauland

In der Nachbarschaft K, die bereit erschlossen wird, kommen der Grund- und Hausbesitzerverein, die „Neue Heimat“, die Nürnberger Aufbaugesellschaft, die Südaufbau und die WBG selbst zum Zuge. Das neue Wohngebiet entsteht im Südwesten von Langwasser bei der katholischen Kirche. Auf

 80 000 Quadratmeter Bauland um die Görlitzer Straße werden bald schon die ersten Häuser aus dem Boden schießen; dort sollen in zwei Abschnitten 834 Wohnungen errichtet werden, von denen die WBG nur 108 betreut.

Nach den Plänen von Architekt Heinz Buff, der die künstlerische Oberleitung für dieses Gebiet innehat, werden dort Gebäude mit drei und vier Geschossen (für Familien mit Kindern), sechs und neun Stockwerken und schließlich als „Paukenschlag“ an der Einfahrt und im Zentrum zwei Hochhäuser (mit elf und zwölf Etagen) gebaut. Die höheren Gebäude sollen Mietern vorbehalten bleiben, die sich mit Ein- und Zweizimmer-Wohnungen bescheiden. Einige Häuser werden von den genannten Unternehmen und Vereinigungen nur errichtet, um danach an private Besitzer weiterverkauft zu werden.

„Viele sollen bauen . . .“

Der Gewinner des Langwasser-Wettbewerbs, Architekt Franz Reichel, erläuterte noch einmal, daß man die Grundkonzeption der Planung beibehalten, aber natürlich neue städtebauliche Erkenntnisse anwenden wird. So wolle man bei allen Nachbarschaften verfahren. „Viele sollen bauen“, meinte er, „damit die Stadt farbig, vielseitig und attraktiv wird“.

Ein Schmerzenskind für viele

Auch aus Fehlern hat man gelernt: wenn der erste Abschnitt der Nachbarschaft K fertig ist, soll auch das Ladenzentrum stehen. Vom großen Lebensmittelgeschäft über den Bäcker und Schuhmacher werden viele Einrichtungen für die Dinge des täglichen Bedarfs sorgen. Das versprach auch Direktor Schneider von der „Südaufbau“, die in diesem Gebiet der federführende Bauherr ist. Er freute sich mit den WBG-Verantwortlichen, daß bald der erste Spatenstich getan werden kann.

Gerade diese Nachbarschaft war nämlich ein Schmerzenskind für Planer und Bauherrn gewesen. Ihre Fläche wurde von einem Gleisstutzen der Bundesbahn förmlich durchschnitten. Ein Teil des Gebietes war – und ist noch – von Wohnbaracken belegt, in denen 387 ausländische Familien leben. Neue Schwierigkeiten türmten sich auf, als „tote“ Straßen in Bauland verwandelt werden sollen.

Neun Jahre lang hat die WGB zäh mit der Bundesbahn wegen des Gleisstutzens gerungen, den sie wegkriegen wollte. Aber es wurde nicht mehr erreicht, als daß dieser lästige Stutzen wenigstens „umgebogen“ wird. Für die Wohnbaracken muß die WGB eine Million DM an den Bund bezahlen; nach fünfjährigen Verhandlungen hat er sich endlich dazu bereitgefunden. Nach Unterredungen mit dem bayerischen Landwirtschaftsministerium wurden die „toten“ Straßen zu einem „erträglichen Preis“ erworben.

Es geht aufwärts

Sobald der Winter vorbei ist, soll nun in der Nachbarschaft K ein Haus nach dem anderen wachsen. Inzwischen sind auch die Pläne für die Nachbarschaften I und M soweit gediehen, daß sie bald in die Tat umgesetzt werden können. Die WBG als Planungsträgerin der Trabantenstadt, die in der ganzen Bundesrepublik von sich reden gemacht hat, ist jetzt guter Dinge. Sie hat große Probleme gelöst.

Die Kräne, die in absehbarer Zeit ihre Hälse in Langwasser recken werden, erscheinen als ein Symbol dafür, daß es aufwärts geht.

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