Quelle-Areal: "Abbruch wäre Wertevernichtung ohne Sinn"

Für ihn ist es weit mehr als nur eine Handelsimmobilie: Baureferent Daniel Ulrich hat zum Quelle-Areal eine ganz besondere Beziehung.

© Foto: Alexander Lang / Montage Schmid Für ihn ist es weit mehr als nur eine Handelsimmobilie: Baureferent Daniel Ulrich hat zum Quelle-Areal eine ganz besondere Beziehung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Quelle-Areals?

Daniel Ulrich: Ich glaube, es ist der ideale Standort für einen urbanen Stadtteil in einem Haus. Es ist verkehrlich perfekt erschlossen, es hat eine sehr gute Bausubstanz und es ist ein sehr prägnantes Gebäude. All das zusammen prädestiniert es dazu mehr zu werden, als nur eine Handelsimmobilie. Darum ist eine Mischung aus Wohnen, Sport, Freizeit, Gewerbe und natürlich auch Handel im vernünftigen Ausmaß der beste Ansatz für diesen Standort.

Haben sie Verständnis für die Abrissforderungen?

Nein. Und es hat auch noch nie jemand den Abriss gefordert, der sich ernsthaft mit dem Gebäude befasst hat. Im Gegenteil: Allen war klar, dass das Gebäude in seiner Statik und Substanz so gut ist, dass man eigentlich alles damit machen kann – ein Abbruch wäre Wertevernichtung ohne Sinn.

Was halten sie denn für besonders schützenswert an dem Bauwerk?

Das kann man zunächst rein konstruktiv sehen: Beton an sich hat einen Wert, weil er unglaublich viel Energie enthält – graue Energie. Das sinnlose Abreißen eines Gebäudes ist insofern schon mal keine gute Idee. Wenn man keine Alternative hat, weil das Gebäude nicht mehr sanierungsfähig ist, dann muss so was gemacht werden und dann wird das auch gemacht. Aber wenn ein Gebäude so gut ist, wie dieses, ist es schon wirtschaftlich unsinnig. Und dann bleibt es natürlich in seiner Funktion als Baudenkmal stehen. Es ist das größte Einzeldenkmal in Süddeutschland. Es ist ein herausragendes Gebäude seiner Zeit, letztlich das, was Nürnberg als alte Handelsstadt mal geprägt hat. Und wenn man sich die Qualität anschaut und mit den Hochregallagern von Amazon vergleicht, die irgendwo an Autobahnen gebaut werden, dann sieht man, dass da etwas mehr Anspruch dahinter gesteckt hat.

Wie viel Einfluss hat die Denkmalschutzerklärung für den weiteren Entwicklungsprozess?

Im Kern geht es bei der Unterschutzstellung um die sehr prägnante Fassade mit den gebänderten Fenstern und dem markanten Klinker. Das Gebäude bietet dadurch, dass es sehr groß und sehr gut rhythmisiert ist, aber auch sehr viele Möglichkeiten, was man damit machen kann. Bezüglich des Denkmalschutzes hatten wir bisher mit noch keinem Investor Proleme. Alles, was man vernünftigerweise in dem Gebäude machen will, kann man auch machen, etwa Lichthöfe hineinbauen oder Treppen neu setzen.

Wie war das Verhältnis zu den vorigen Investoren? Sonae Sierra hat doch die Stadt länger hingehalten.

Wir hatten eigentlich zu allen Investoren ein gutes Verhältnis, weil alle mit dem Anspruch gekommen sind, etwas zu machen. Wenn jemand ein großes Gebäude entwickeln möchte und sich dieser großen Aufgabe stellt, der wird in der Stadtverwaltung immer mit offenen Armen empfangen. Wenn sich das Vorhaben hinschleppt, löst das natürlich auf allen Seiten keine große Begeisterung aus. Aber große Vorhaben dauern halt ihre Zeit. Jetzt hatten wir einen Investorenwechsel, der uns Hoffnung macht, weil mit Investorenwechseln üblicherweise auch Wertsprünge verbunden sind. Die motivieren den neuen Eigentümer deutlich mehr zu tun als den alten. Wer mehr Kapital gebunden hat, der hat auch einen höheren Druck etwas zu tun. Von allem, was wir von den neuen Besitzern gehört haben, ist der Druck groß und die Zielrichtung richtig.

Urbane Immobilie statt Shoppingtempel

Wieso hat es mit den vorigen Investoren nicht geklappt?

Am Ende war das Problem, dass der vorige Besitzer das ganze Gebäude vom Einzelhandel her gedacht hat. Wir haben, seit es die Quelle als Debattenobjekt gibt, immer gesagt, ihr müsst das vertikal denken, nicht horizontal. Einzelhändler denken aber nun mal zuerst horizontal. Bei der Quelle sind die vertikalen Räume, also die über der Handelsfläche, nun mal 200.000 Quadratmeter groß. Das ist ein bisschen viel, um nicht zu wissen, was man damit anfangen soll. Daher war der vertikale Ansatz, wie ihn auch der neue Investor verfolgt, von vornherein der bessere Weg, sich dieser großen Baumasse zu stellen – nämlich Stück für Stück. Wenn man das Gebäude nicht als Shoppingtempel betrachtet, sondern als urbane Immobilie, dann kommt man sehr viel weiter. Dieser Ansatz war aus unserer Sicht schon immer der Richtige. Aber mei, der Investor ist nicht gebunden, sich unbedingt unsere Meinung zu Eigen zu machen. Die Gerchgroup hat es dann ohne unser Zutun gleich von selbst gemerkt. Auf dem AEG-Gelände hat das hervorragend funktioniert. Inzwischen sind alle Gebäude dort rappelvoll. Obwohl es auch da Abrissforderungen gab.

Wäre es angesichts des langen Leerstandes besser gewesen, wenn die Stadt als Bauträger eingesprungen wäre?

Das war ja nun vor meiner Zeit. Bevor ich in diese Stelle gekommen, hat sich die Frage mal gestellt, das ist vorbei. Da kann man jetzt rückblickend immer ganz schlau sein, aber das möchte ich mir jetzt lieber ersparen. Denn ich weiß ja, wie die Geschichte ausgegangen ist. Da kann ich jetzt schwerlich sagen, ob ich es damals anders gemacht hätte.

Verspielt man dadurch in der Weststadt im großen Stil Kultur anbieten zu können?

In der Weststadt sind wir, was das Thema Kultur angeht, herausragend stark. Wir haben viele gewachsene Kultureinrichtungen und direkt am Quelle-Areal das Quellkollektiv im Heizhaus, das sich da ebenfalls gut etabliert hat. Aber der entscheidende Ansatz ist Auf AEG. Mit den Ateliers, der Kulturwerkstatt und dem ganzen Umfeld wurde ein kultureller Nukleus geschaffen, der so stark ist, dass die Quelle da eigentlich nicht so viel mehr beitragen könnte.

Versuchen Sie das Quellkollektiv in ihren Forderungen für kulturelle Entwicklung auf dem Gelände zu unterstützen?

Wir unterstützen das schon seit vielen Jahren sehr intensiv, es ist aber aufgrund der Geldfrage auch ein bisschen schwierig. Die Stadt hat nicht die Möglichkeit, das Quellkollektiv direkt finanziell zu unterstützen in den nötigen, wenn auch überschaubaren Brandschutzbauarbeiten. Das Quellkollektiv ist aber auch nicht in der Lage, sich den Umbau aus dem Stand leisten zu können. Gerade versuchen Sie einen langfristigen Mietvertrag zu erhalten. Dabei versuchen wir, Unterstützung zu geben und auch da glaube ich, sieht die Lage mit dem neuen Eigentümer deutlich besser aus. Da der alte Investor nicht genau wusste, was er mit dem Heizhaus macht, ist er keine langfristigen Verträge eingegangen. Wir arbeiten daran, dass das Quellkollektiv einen sicheren Raum hat, in dem sie arbeiten können.

"1000 Wohnungen sind toll, wir würden sogar mehr nehmen!"

Sehen Sie in einer anderen Kommunikationspolitik die Chance die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, gerade weil man so einen langen Leerstand hat und man eventuell nicht nachvollziehen kann, was sich dort entwickelt?

Das ist Aufgabe vor allem dessen, der gekauft hat. Objektiv betrachtet, war der Leerstand noch gar nicht so lange. In Nürnberg gibt es andere Flächen mit längeren Leerstand, in Gebieten, die nicht so sehr im Fokus stehen. Dass das Quelle-Gebäude jetzt so wichtig ist, hat natürlich den Reiz, dass sich nun alle dafür interessieren. Aber ich weiß nicht, zu welcher Art von Beteiligung man einem Investor da raten könnte. Mein Tipp ist der, die Inhalte immer so früh wie möglich zu publizieren, damit die Menschen wissen, was auf sie zukommt und was dort geplant ist und das hat der aktuelle Investor bisher gemacht. Er hat kundgetan, dass er in die Größenordnung von 1000 Wohneinheiten gehen möchte und ein gemischtgenutztes Gebäude dort entwickeln möchte. Ich glaube, das ist ein riesengroßer Schritt für die Weststadt. Da, wo es die Bürger stärker betrifft, im "Quelle-Park" hat das Sör ja eine ganz intensive Beteiligung gemacht, das ist sehr wichtig.

Entspricht die Zahl von 1000 Wohnungen mit 100 bis 150 geförderten Wohnungen am Rande des Geländes den Wünschen der Stadt?

1000 Wohnung sind toll, wir würden sogar ein paar mehr nehmen. Also ist der Ansatz des Investors ist hier auch der Wunsch der Stadt. An diesem Standort können wir nach dem Baulandbeschluß keine fest gefügte Zahl von geförderten Wohnungen beanspruchen. Wir wollen aber auf jeden Fall einen „guten Beitrag“ von GERCH sehen, damit die Ausgewogenheit in der Weststadt nicht leidet. Das wird auch so kommen. Die geförderten Wohnungen lassen sich aber wegen der Bedingungen der Wohnungsbauförderung nicht so einfach im denkmalgeschützten Bestand unterbringen. Letztlich zur Optimierung der Verfahrensökonomie werden wir also versuchen, so viele Wohnungen wie städtebaulich vertretbar auf dem Randgrundstück an der Wanderstraße zu vereinbaren, das ja immerhin auch über 10.000 Quadratmeter Fläche hat.

Welche Verhandlungen stehen jetzt an? Wie sieht das weitere Vorgehen aus?

Wir wollen als Stadt mit dem Investor einen Vertrag schließen, über das, was genau passieren soll. Also sicherstellen, dass geförderter Wohnungsbau entsteht, dass die Grünausstattung nicht angeknabbert wird, dass der Park abgerundet wird, dass das Thema Kinderkrippen, -gärten und Schulen geregelt wird und dass das zu Teilen auch beim Investor landet. Wir werden auch sicherstellen, dass andere Nutzungen im Gebäude sind, als nur Wohnen. Da ist man gerade am Beginn der Verhandlungen.

Welche Einflussmöglichkeiten auf den Entwicklungsprozess hat die Stadt noch?

Wir haben den größten Hebel, den es in der Welt des Bauens gibt, nämlich das Planungsrecht. Die Stadt hat damit ein erhebliches Mitspracherecht über alle Nutzungen und das ist natürlich schon eine große Gestaltungsmacht. Wenn zufällig das, was der Investor will und das, was wir glauben, was gut für die Stadt ist, zusammengeht, funktioniert alles sehr schnell. Wenn man sich da auseinanderbewegt, wird es zäh.

Bis September soll es einen Vertrag mit dem Investor geben

Welche Kernforderungen hat die Stadt beim Thema Wohnungen?

Da sind wir nun in den aktuellen Verhandlungen. Die Frage ist ja nicht nur, was wir uns wünschen, sondern auch was wirtschaftlich möglich ist. Die Forderungen der Stadt finden da ein Ende, wo man das ganze nicht mehr bezahlen kann. Insofern ist das Herantasten an die Grenze zwischen Ertrag und Gemeinwohlnutzen gerade Inhalt der Verhandlungen. Sicher ist ein Eckpfeiler eine vernünftige Menge an gefördertem Wohnungsbau, ein weiterer Eckpfeiler ist die Abarbeitung der sozialen Folgekosten, also Kitas und Schulen. Ein dritter Eckpfeiler ist die Sicherung einer brauchbaren Grünausstattung. Und dann gibt es noch eine Menge Nebenfragen, die für sich genommen wichtig sind, aber die alle noch im Verhandlungsfluss sind.

Welchen Zeitplan haben die weiteren Entwicklungen?

Wenn alles perfekt läuft, haben wir unseren Vertrag noch vor September. Dann kann, wenn das alle gut finden - auch die Banken, die das Ganze finanzieren sollen - Anfang nächsten Jahres ein Bauantrag auf unserem Tisch liegen. Ende nächsten Jahres könnte die Investorengruppe dann schon loslegen. Es könnte alles sehr schnell gehen. Wir haben nicht das Problem, dass der Baugrund verfügbar ist, wir haben nicht das Problem, dass es kein Baurecht gibt, wir haben nicht das Problem, dass wir uns mit Natur- und Artenschutz auseinandersetzen müssen. Gibt´s dort alles fast nicht. Insofern bleibt die Abarbeitung technischer Fragen, Verkehrliche Leistungsfähigkeit, Lärmschutz, Branschutz und all der gleichen ist im Wohnungsbau eher ein kleines Hindernis. Darum bin ich optimistisch.

Trotzdem hat man bei solchen Großprojekten oft sehr langen Stillstand. Man sieht es zum Beispiel in Berlin mit Tempelhof – woran liegt das?

Ich glaube, das liegt an der schieren Größe. Größe macht Angst. Kapitalgeber zu finden, die sich so großen Risiken stellen ist hier in Deutschland nach wie vor nicht einfach. Am Ende ist das ein Klumpenrisiko, das irgendwo zwischen 500 und 900 Millionen Euro liegt, für den, der es dann investieren muss, ist es sehr sehr viel Geld. Da muss man dann ein schönes Bankenkonsortium zusammenschrauben, dass das auch machen mag. Die Bankenbranche ist da aus Erfahrung nicht so risikobereit. Wenn die Renditechance nicht so tip top sicher ist, wie an einem Standort wie München oder Frankfurt, wo jeder Preis gezahlt ist, dann überlegt man da etwas länger. Dieses Schicksal teilt man wohl in Berlin. Tempelhof ist nicht so einfach, weil es eben so groß ist. Eine Idee für 30.000 Quadratmeter bekommen sie auf dem Markt schnell untergebracht. Eine Idee für 300.000 Quadratmeter, da müssen sie ganz schön lange suchen. Und das ist glaube ich, die Hauptaufgabe, der sich bisher alle stellen mussten, so ein Volumen auch mit Inhalt zu füllen.

Das Ausmaß des Quellegeländes zeigt sich vor allem erst im Vergleich mit anderen Gebäuden in Nürnberg.

Das Ausmaß des Quellegeländes zeigt sich vor allem erst im Vergleich mit anderen Gebäuden in Nürnberg. © Redaktionsservice

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