Ein Hoffnungsträger gibt Rätsel auf

20.12.2010, 19:19 Uhr
Ein Hoffnungsträger gibt Rätsel auf

© Sportfoto Zink

Seine beste Zeit hat er bereits hinter sich, aber was heißt das schon bei einem, der einst in der nordamerikanischen Profiliga NBA gegen Basketball-Legende Michael Jordan spielte und auch mit 35 Jahren noch gut genug für die erste Liga in Finnland war. In Nürnberg waren sie stolz, ein solches Kaliber für ihre Aufstiegsmission gewonnen zu haben. Im ersten Testspiel erzielte Washington in den ersten zehn Minuten 15 Punkte. So einer, sagten sie sich beim NBC, ist eigentlich zu gut für die Pro B, aber genau richtig, um die Aufbruchstimmung im Nürnberger Basketball zu verkörpern. Es gibt sogar einen Wikipedia-Eintrag über Eric Washington.

Im Dezember, vier Monate später, sitzt Washington auf der Bank, wenn ein Spiel in die entscheidende Phase geht. Er ist ein Mitläufer in einer Mannschaft, der er mit seiner immensen Erfahrung eigentlich Halt geben sollte. Und beim NBC rätseln sie darüber, wie es soweit kommen konnte.

In einem einzigen Ligaspiel, gegen Konstanz, zeigte Washington, zu was er immer noch fähig ist. Mit 29 Punkten und elf Rebounds führte er sein Team im Alleingang zu einem hauchdünnen Sieg. Es ist diese Partie, die es für Johannes Kopkow umso unerklärlicher erscheinen lässt, warum der NBA-Veteran in über der Hälfte der Nürnberger Spiele über eine einstellige Punktausbeute nicht hinauskam. „Wir haben oft mit ihm geredet, aber er weiß selbst nicht, woran es liegt“, meint der NBC-Manager. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Oder er will es uns nicht sagen.“

Am Drumherum, sagt Kopkow, kann es nicht liegen. Auto, Wohnung, Verpflegung – beim NBC wird den Spielern jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Es ist eine für Drittliga-Verhältnisse ungewohnte Professionalität, die man sich leistet, und die einiges verrät über die Ambitionen dieses Klubs. „Wir nehmen den Spielern jegliches Alibi, deshalb können wir die Spieler rein nach der Leistung auf dem Feld bewerten.“

Dabei ist es nicht einmal so, dass Washington lustlos übers Parkett schleichen würde, wie mancher befürchtet haben mag. Niemand kann dem in der Mannschaft durchaus beliebten US-Amerikaner vorwerfen, er würde sich nicht bemühen. Beim jüngsten Sieg gegen Langen (83:82 nach Verlängerung) sammelte der nur 1,93 Meter große Flügelspieler zehn Rebounds in 16 Minuten Einsatzzeit, davon sieben am offensiven Brett. „Das ist ein unglaublicher Wert“, sagt sein Trainer Derrick Taylor, der in der Schlussphase dennoch lieber auf andere setzte, weil Washington erneut kein Wurfglück hatte.

Als Zeichen, dass er in seinen Planungen keine Rolle mehr spielt, will Taylor die Degradierung nicht verstanden wissen. „Ich mag, wie er trainiert. Er lässt sich nicht hängen. Es ist nur so, dass er gerade nach sich selbst sucht.“ Beim NBC will niemand Washington abschreiben, nach einer nicht ganz zufriedenstellenden Hinrunde will man aber auch nicht riskieren, das Saisonziel Aufstieg zu verpassen. Eine Trennung von dem unglücklichen Star steht zumindest im Raum, bis Jahresende hätten die Nürnberger die Möglichkeit, Washingtons Position neu zu besetzen. „Es ist eine verdammt schwierige Entscheidung“, räumt Taylor offen ein.

Washington selbst zeigt sich selbstkritisch. „Der Trainer hat Recht mit seiner Kritk, dass er von mir mehr erwartet. Ich muss definitiv auf einem höheren Niveau spielen.“ Warum ihm das derzeit nicht gelingt, kann er sich nicht erklären. „Manchmal laufen die Dinge einfach nicht so, wie man es sich vorstellt“, antwortet er etwas nebulös. Sein Wille ist ungebrochen. „Ich sehe es als meine Pflicht an, alles für die Mannschaft zu geben, ihr die Energie zu verleihen, die sie braucht.“ Einer, der so viel erlebt hat wie er, hat keine Angst mehr, seinen Job zu verlieren. „Damit beschäftige ich mich nicht.“