Muslime und Christen verfassten eine «Charta des Zusammenlebens»

11.5.2010, 00:00 Uhr

Zweieinhalb Jahre arbeiteten rund 30 Personen aus Moscheevereinen, Kirchengemeinden, freien Trägern oder politischen Parteien an der 20-seitigen Broschüre, die gestern vorgestellt wurde. In den Arbeitsgruppen Recht/Religion, Bildung/Erziehung sowie Seelsorge/Soziales formulierten sie Empfehlungen und Appelle, die das Miteinander der Religionen in der Stadt befördern sollen.

»Die Charta ist einzigartig in Deutschland«, sagt Wolfgang Butz, evangelisch-lutherischer Prodekan in Nürnberg und Mitglied des fünfköpfigen Teams, das die Diskussionen moderierte. Diesem Gremium gehörten auch zwei Vertreter muslimischen Glaubens an, nämlich Ali-Nihat Koç von der Begegnungsstube Medina sowie Ilhan Postaloðlu, Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) Nürnberg. Jürgen Kaufmann, Pastoralreferent des Erzbistums Bamberg und zuständig für den interreligiösen Dialog, sowie Pfarrer Hans-Martin Gloël, Leiter des Begegnungszentrums Brücke-Köprü, komplettierten die Gruppe.

Altoberbürgermeister Peter Schönlein, seit Gründung des AKs vor zehn Jahren dessen Schirmherr, betont, dass die Charta keine politischen oder gar parteipolitischen Inhalte transportiere: »Es geht um religiöse Fragen und Grundlagen, wie die Menschen miteinander umgehen sollten.« In der Broschüre empfiehlt der AK zum Beispiel im Bereich Recht/Religion, muslimische Gemeinschaften in die Trägerschaft von Kindertagesstätten (Kitas) miteinzubeziehen oder auch eine gemeinsame Trägerschaft eines christlichen und eines islamischen Trägers zu ermöglichen. Kitas, die in ihrer ethnischen oder religiösen Ausrichtung indes nur für Kinder einer Gruppe offen sind, werden als »nicht integrationsfördernd« abgelehnt. Zudem wird vorgeschlagen, einen für alle Religionen zugänglichen Gebetsraum im Hauptbahnhof einzurichten.

In der Rubrik Bildung/Erziehung mahnen die Autoren der Charta unter anderem an, die interreligiöse und interkulturelle Kompetenz von Erziehern zu verbessern. Zudem wünschen sie sich Respekt vor religiös motivierten Kleidungsvorschriften im Schulkontext. Für Klassenfahrten schlagen sie vor, dass eine Begleitperson muslimischen Glaubens mitfahren sollte; das wäre gegenüber den Eltern türkischer Kinder und Jugendlicher eine vertrauensbildende Maßnahme.

Für den Bereich Seelsorge/Soziales plädiert der AK dafür, dass sich auch verstärkt muslimische Seelsorger um Menschen in Krankenhäusern oder Gefängnissen kümmern. Ein entsprechendes Projekt ist schon auf den Weg gebracht worden. Auch bei den anderen Themenfeldern bedeutet die Vorstellung der Charta freilich nicht das Ende der Arbeit. »Jetzt geht es um die Umsetzung«, sagt Gloël. Der AK wird sich weiter treffen. Kaufmann hofft, dass die Charta »ein Gesprächsthema in den Gemeinden sein wird«. Der Rechtsanwalt Güneyt Cençer, der sich in der Gruppe Recht/Religion engagierte, bezeichnet es als Herausforderung, »einen Konsens zu finden zwischen der Mehrheitsreligion und den Religionen der Zuwanderer. Beide Seiten müssen lernen«.

Der Text ist im Internet zu finden unter www.bruecke-nuernberg.de

Keine Kommentare