Reiches Erbe auf dem Meeresboden

1.7.2013, 00:00 Uhr
Reiches Erbe auf dem Meeresboden

© Orgeldinger

Die Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie (DEGUWA) e.V. mit Sitz in Erlangen kämpft seit langem für den Beitritt der Bundesrepublik. Im August 2009 hat sie eine entsprechende Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht. Der Petitionsausschuss hat sich daraufhin im Juni 2010 einstimmig für eine Ratifizierung ausgesprochen.

Reiches Erbe auf dem Meeresboden

„Es liegt ein Gesetzentwurf der Koalition und ein Fahrplan des Auswärtigen Amtes vor“, sagt Wolfgang Börnsen, kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Allein der politische Wille fehle noch. Um den Ratifizierungsprozess voranzutreiben, hat Börnsen Archäologen sowie Vertreter der Ministerien und der UNESCO zu einem Fachgespräch in den Bundestag eingeladen.

Reiches Erbe auf dem Meeresboden

„Das größte Problem des Kulturerbes unter Wasser ist, dass man es nicht sieht“, sagt Ulrike Guérin, vom Sekretariat der UNESCO-Konvention von 2001. Schiffs- und Flugzeugwracks, versunkene Städte, Hafenanlagen und prähistorische Fundplätze in Meeren, Flüssen und Seen seien vielfältig bedroht. Nicht nur durch kommerzielle Schatzsucher, sondern auch durch Verkehrs- und Tourismusprojekte, Öl- und Gasförderung, Offshore-Windkraftanlagen sowie Kies- und Sandgewinnung.

Die Konvention, die nach der Ratifizierung des 20. Staates im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, stellt u.a. sicher, dass das Unterwasser-Kulturerbe nicht kommerziell ausgebeutet wird. Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur Einhaltung ethischer und wissenschaftlicher Standards im Umgang mit den Kulturgütern. Eigentumsfragen werden nicht berührt.

Schutz für 10000 Wracks

aus dem Ersten Weltkrieg

Die Konvention schützt alle Spuren menschlicher Existenz, die seit mindestens 100 Jahren zeitweise oder durchgängig unter Wasser liegen. Darunter fallen ab 2014 auch rund 10000 Schiffswracks aus dem Ersten Weltkrieg. „Sie werden aus dem Wasser gezerrt, um Schrott zu gewinnen“, schimpft Guérin. Nationale Gesetze und das bestehende Völkerrecht böten keinen ausreichenden Schutz.

Innerhalb der 12-Meilen-Zone greifen die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer. Aber schon in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), die sich auf 200 Seemeilen vor der Küste erstreckt, ist der Schutz nicht mehr gewährleistet, wie eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages feststellt. Die Rechtslage ist kompliziert, zumal es Überschneidungen mit dem UN-Seerechtsübereinkommen UNCLOS geben könnte. Umstritten war ebenfalls, ob die Konvention die Immunitätsrechte an jenen deutschen Kriegsschiffen beschneidet, die als Seemannsgrab gelten.

„Wir hatten zunächst seerechtliche Bedenken“, erklärt Birgitta Ringbeck, die beim Auswärtigen Amt für Fragen des Welterbes zuständig ist. Diese seien jedoch inzwischen weitgehend ausgeräumt. „Die völkerrechtlichen Vorteile der Ratifizierung könnten überwiegen“, sagt Ringbeck diplomatisch. Denn der deutsche Beitritt würde sich nicht nur auf das Kulturerbe von Nord- und Ostsee auswirken. Vielmehr würden deutsche Staatsbürger und Kapitäne von Schiffen, die weltweit unter deutscher Flagge fahren, verpflichtet, jede Form von Unterwasser-Schatzgräberei an eine deutsche Behörde zu melden.

„Für das Ansehen Deutschlands als Kulturnation ist es unerlässlich, dass Deutschland die Konvention ratifiziert“, betont Professor Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Nach dem illegalen Waffen- und Drogenhandel sei der illegale Kunsthandel das dritte Geschäft, mit dem Milliardengewinne erzielt würden.

Deutsche Schatzsucher seien weltweit aktiv, berichtet Ulrike Guérin. Beispielsweise an der Ausbeutung portugiesischer Schiffswracks vor der Küste von Mosambik. „Wir sollten das Feld der Unterwasserarchäologie nicht nur den Glücksrittern überlassen“, fordert Reiner Deutschmann, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

„Der große Schaden, den die Schatzgräber anrichten, besteht in der Zerstörung des Kontextes“, erklärt der Archäologe Hanz Günter Martin, Vizedirektor der DEGUWA. Die Funde würden meist schlecht oder gar nicht dokumentiert. „Deshalb können die Schatzgräber viel schneller arbeiten als wir.“

„Nach den Regeln der Konvention muss die Unterwassergrabung von einem qualifizierten Archäologen geleitet werden“, sagt Martin. Eine Teilung der Funde sei ebenso untersagt, wie die Finanzierung der Grabung durch Verkauf der geborgenen Artefakte. Neun EU-Länder haben bereits ratifiziert, darunter Portugal, Spanien, Italien und Frankreich. „Deutschland sollte nicht länger auf juristischen Spitzfindigkeiten herumreiten“, sagt Börnsen. „Wir müssen die Ratifizierung in der 18. Periode des Deutschen Bundestages angehen.“

Ministerialrätin Ringbeck gibt sich vorsichtig optimistisch: „Ich werde die Bundesländer nach der Sommerpause einladen mit dem Ziel des Auswärtigen Amtes, die Konvention zu ratifizieren.“ Die amtliche Übersetzung sei schon beim Sprachendienst in Auftrag gegeben.

Weitere Informationen zur Konvention unter http://www.unesco.org/new/en/culture/themes/underwater-cultural-heritage/2001-convention



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