Wenn Muttersein mehr Frust als Lust ist

4.4.2013, 00:00 Uhr

Léa ist ein Wunschkind, ein Geschöpf der überschwänglichen Liebe zwischen Barbara und Nicolas. Kennengelernt haben sich die Philosophiestudentin und der Videothekar beim DVD-Ausleih, wo sie die Filmtitel – „In the Mood of Love“, „Ein Mann mit Herz“, „Catch me if you can“ – für sich sprechen lassen.

Der französische Regisseur Rémi Bezançon beginnt seinen Film hinreißend als federleichte, romantische Komödie. Auf den charmanten Flirt folgt die stürmische Liebe. Als Nicolas sagt, er wolle ein Kind von Barbara, antwortet sie: „Dann mach mir eins“. Doch als sie tatsächlich schwanger wird, ist es mit der Unbeschwertheit bald vorbei.

Obwohl sich beide auf das Baby freuen, empfindet Barbara es mit wachsendem Bauch als Alien in ihrem Körper – ein Vorgefühl dafür, dass dieses Kind viel zu früh in ihr Leben kommt, dass sie beide noch ganz andere Dinge vorhatten. Vor allem Barbara, die an ihrer Doktorarbeit über „das Andere“ schreibt und auf eine Assistentenstelle an der Uni hofft.

Bezançon verfilmte mit „Ein freudiges Ereignis“ einen Roman von Eliette Abécassis, deren Polemik gegen die mystifizierte Mutterliebe 2005 heftige Debatten in Frankreich auslöste. Ganz im Geiste Abécassis widersetzt sich Barbara den Erwartungen, schwänzt den Hechelkurs, entwickelt enorme Lust auf Sex und wird nach der (in schmerzhafter Länge gezeigten) Geburt vom oft frustrierenden Alltag des Mutterseins eingeholt.

Trotz aller klugen Bücher, die sie gelesen hat, von Kant und Heidegger und Wittgenstein, merkt sie, dass sie dem Leben hilflos gegenüber steht. Barbara ist eine Widerspenstige, misstrauisch insbesondere, wenn es um die Anforderungen an ihre neue Rolle geht und das Gluckentum in der Stillgruppe, für das der Film einige herrlich zugespitzte Bilder findet.

Ebenso alltagsnah wie einfühlsam und sanft ironisch inszeniert Bezançon eine Emanzipationsgeschichte. Louise Bourgoin als emotional immer auf der Überholspur lebende, eigensinnige, aber auch verantwortungsvolle Barbara trägt den Film mit umwerfender Liebenswürdigkeit. Pio Marmaï als Nicolas bleibt daneben fast etwas blass. Die Mütter der beiden, seine eine bourgeoise Arztfrau, ihre eine Alt-68erin, sind etwas stereotyp gezeichnet, bieten als Vertreterinnen gegensätzlicher Lebenshaltungen aber spannende Reibungsflächen.

Was als rosarote Romanze beginnt, erweist sich bald als tragischer Stoff über das Scheitern einer Liebe am Alltag und an zu hohen Erwartungen. Sehenswert. (F/B/107 Min.; Casablanca, Cinecittà, Nürnberg; Manhattan, Erlangen)
 

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