Lendenschurz für Nacktläufer

20.6.2008, 00:00 Uhr
Lendenschurz für Nacktläufer

© Marianne Natalis

Man hat das Gefühl, dass auch Richter Thilo Reindl sich das Lachen verkneifen muss. Zu grotesk wirkt der Auftritt des «Nacktläufers von Gunzenhausen», Siegfried G., vor Gericht. Immerhin, der 51-Jährige ist bekleidet erschienen: Kurze beige Hose, die bestrumpften Füße stecken in Sandalen. Auf dem Rücken seines T-Shirts steht «Rebelious Action» - rebellische Aktion.

Lautstark versucht der gebürtige Sachse sein Recht auf das Nacktlaufen zu verteidigen. Schließlich schade er niemandem, betont der Selbstständige. «Ich schwitze beim Sport so. Da ist eine Hose unangenehm.» Außerdem sei Nacktlaufen Teil der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit, meint der 51-Jährige. Eine Grundsatzentscheidung für oder gegen das Nacktlaufen will Richter Reindl an dem Tag jedoch nicht treffen. Vielmehr gehe es in der Verhandlung um die Vollstreckung eines Zwangsgeldes.

G. war im Januar vom Landratsamt Weißenburg verpflichtet worden, «auf öffentlichen Wegen und Plätzen seine primären Geschlechtsorgane in der Art zu bedecken, dass eine Einsichtnahme durch andere Personen verhindert werde». Bereits im Februar beschwerten sich drei Zeugen bei der Polizei über den 51-Jährigen: wieder sei er nur mit Turnschuhen bekleidet durch den Wald gelaufen, klagten zwei Frauen. Ein Minderjähriger fühlte sich durch den Nacktgeher belästigt, auch wenn dieser ein T-Shirt vor seinen Intimbereich gehalten habe. Das Ordnungsamt forderte nun die Zahlung des Zwangsgeldes in Höhe von 300 Euro - dagegen klagte G. Er behauptet, sein Geschlechtsteil beim Joggen immer mit einem Handtuch bedeckt zu haben.

Rechtsanwalt muss beruhigen

Vor Gericht kann der Mann kaum stillsitzen, er fühlt sich als Opfer des Landratsamtes. Dieses hätte - unterstützt von örtlichen Medien - eine Diffamierungskampagne gegen ihn gestartet. Zeitungsausschnitte sollen das vor Gericht beweisen. Immer wieder unterbricht G. den Richter, schimpft unvermittelt los. Sein Rechtsanwalt muss ihn mehrmals beruhigen.

Nach einer Stunde zeichnet sich auf Vorschlag des Richters ein Kompromiss ab: Das Landratsamt verzichtet auf die Erhebung des Zwangsgeldes. G. verpflichtet sich dafür, in Zukunft ein 20 mal 30 Zentimeter großes Handtuch mit Klettverschluss wie einen Lendenschurz um die Hüften zu befestigen. Nach kurzem Zögern stimmt der 51-Jährige ein. Egal ob beim Spazierengehen, Joggen oder Radfahren: «In Zukunft werde ich diesen Lendenschurz tragen», sagt er. «Nicht mehr und nicht weniger.»