Mittagsmörder hofft auf Freiheit

4.9.2012, 19:47 Uhr
Mittagsmörder hofft auf Freiheit

© Friedl Ulrich

Fünf Jahre lang war er stehlend, raubend und mordend unterwegs. Er kam meist, wenn die Glocken um 12 Uhr läuteten – und dies brachte ihm den makaberen Spitznamen „Mittagsmörder“ ein. Am 27. Juli 1967 wurde der Mann zu „lebenslangem Zuchthaus“, wie es damals hieß, verurteilt.

Seither sitzt Hans W. (Name geändert) hinter Schloss und Riegel, länger als jeder andere Strafgefangene in Bayern. Fast 300 Männer und Frauen verbüßen derzeit eine lebenslange Haftstrafe, doch in dieser Statistik will Hans W. schon lange nicht mehr mitgezählt werden.

Im August 2010 hatte es das Oberlandesgericht Nürnberg noch abgelehnt, den Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Ihn auf freien Fuß zu setzen, widerspricht dem „Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit“, formulierten die Richter damals.

Hans W. legte Verfassungsbeschwerde ein und die obersten Richter verwiesen auf die Grenzen eines möglicherweise lebenslangen Freiheitsentzuges und auf das Übermaßverbot. Es verlangt, dass das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gewahrt wird.

Bewährungshilfe und Therapie

Der Fall wurde an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen und der Strafsenat folgte den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Nun kommt eine vom Oberlandesgericht eingeholte psychiatrische Expertise zu dem Schluss, dass Vollzugslockerungen, wie Freigang oder Urlaub, bei Hans W. grundsätzlich verantwortbar seien.

Wie soll W. nach fünf Jahrzehnten hinter Gittern sein Leben außerhalb der Gefängnismauern meistern? Als er noch steckbrieflich gesucht wurde, amtierte Konrad Adenauer in seinem letzten Jahr als Bundeskanzler und Telefone hatten noch Wählscheiben. Wo soll er heute leben, mit wem Kontakte pflegen, wie eventuelle Konflikte bewältigen?

Die Richter folgen den Vorschlägen des Gutachters: Der Entlassung soll eine zweijährigen Erprobungsphase mit Lockerungen vorausgehen und schon jetzt wird ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, auch wird Hans W. von einem Therapeuten unterstützt.

Die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg ist nicht in Stein gemeißelt: Sollten sich in dieser Erprobungsphase Anhaltspunkte ergeben, dass von dem 72-Jährigen doch erhebliche Gefahr ausgehen könnte, kann die Entlassung auch wieder aufgehoben werden, wie Justizsprecher Michael Hammer mitteilt.

W. brachte im September 1962 den Sparkassenleiter im mittelfränkischen Ochenbruck um. Zehn Wochen später erschoss er in der Sparkassenfiliale in Neuhaus im Nürnberger Land einen weiteren Mann. Am 29. März 1963 tötete er die Inhaberin eines Waffengeschäftes und deren Sohn. Am 1. Juni 1965 flüchtete er vor der Nürnberger Polizei und erschoss den Hausmeister eines Kaufhauses. In der deutschen Kriminalgeschichte blieb die Jagd auf ihn bis heute einzigartig.

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