Christkindlesmarkt: Manfred Rehder und seine Rauschgoldengel

17.11.2011, 17:03 Uhr
Christkindlesmarkt: Manfred Rehder und seine Rauschgoldengel

© Roland Fengler

„Wer den Rauschgoldengel erfunden hat, weiß kein Mensch, überhaupt keiner“, sagt Manfred Rehder schmunzelnd, wenn er nach den Ursprüngen des Rauschgoldengels gefragt wird. Der 77-Jährige sitzt im Keller seines Hauses in der Gartenstadt inmitten von Vitrinen voller funkelnder Christbaumkugeln und Baumspitzen.

Auf den Regalböden seines kleinen Privatmuseums drängen sich Nussknacker und Christkindlesmarkt-Tassen. Und natürlich Rauschgoldengel mit roten oder blauen Schürzen, mit Köpfen aus Holz oder Porzellan und manche sogar mit Puppenhaar. Familie Rehder ist die einzige Familie in Nürnberg, die in der vierten Generation Rauschgoldengel herstellt.

Die Engelsproduktion beginnt im Hochsommer. Dann sitzt Rehder, der gelernter Orthopädietechniker und Zahntechniker ist, mit seinem Sohn im Gartenhaus und faltet und klebt Engel. Die Rauschgoldengel sind nur eine Nebenbeschäftigung. Allerdings eine recht zeitintensive, ist es doch gar nicht so einfach, all die gewünschten Materialien aufzutreiben. Die Engelsköpfe aus Porzellan beispielsweise lässt Rehder inzwischen in Taiwan herstellen.

Christkindlesmarkt: Manfred Rehder und seine Rauschgoldengel

© Jasmin Siebert

Die einzelnen Arbeitsschritte hat Rehder schon vor Schulklassen im Spielzeugmuseum vorgeführt. Dabei wird auch das Geheimnis gelüftet, warum der Rauschgoldengel heißt wie er heißt. Ursprünglich waren die Flügel und die Krone mit einer hauchdünnen Folie aus Feinzink und Kupfer überzogen. Das ausschließlich in Mittelfranken hergestellte Rauschgold knistert und „rauscht“ bei Berührung. 1954 wurde die Produktion von Rauschgold eingestellt. Rehder verwendet heute eine goldene Alufolie. Für die Reparatur von älteren Engeln oder für Wunschanfertigungen hat Rehder aber noch ein bisschen echtes Rauschgold vorrätig.

Da kein Prototyp eines ersten Rauschgoldengels bekannt ist, ist umstritten, wie ein Engel idealerweise auszusehen hat. Rehder hat schon mit silberfarbenen Flügeln und den verschiedensten Puppenköpfen experimentiert. In seinem Keller stehen auch zwei afroamerikanische Engel. „Wer weiß schon wie Engel aussehen. Warum soll es keine schwarzen Engel geben“, entgegnete Rehder auf die Proteste seiner Frau.

Den Standardengel fertigt Rehder nach dem Typus, den seine Großmutter Lina Zemsch um 1933 am Küchentisch kreiert hat. Die gelernte Schneiderin und Marktfrau auf dem Grünen Markt wohnte mit ihren neun Kindern am Josephsplatz in einer Dachwohnung. Rehder erinnert sich noch gut an das Gewusel in der großen Wohnküche, in der sich das ganze Leben abgespielte.

Wann seine Familie zum ersten Mal einen Stand auf dem Christkindlesmarkt hatte, weiß Rehder nicht genau. Er erinnert sich daran, wie er während des Zweiten Weltkriegs mitgeholfen hat, kleine Kerzenhalter und Foliensterne für den Christkindlesmarkt zu basteln, der auf der Insel Schütt stattfand.

Bis vor fünf Jahren stand Rehder jeden Tag auf dem Christkindlesmarkt – und das immerhin 25 Jahre lang. Erst danach schaffte er es, mit seiner Frau einmal komplett durch alle Reihen zu bummeln.

Dass Rauschgoldengel bereits Ende des 18. Jahrhunderts in Nürnberg bekannt waren, davon zeugen verschiedene Gemälde. Auf einem Kupferstich von 1780 deutet ein Mädchen auf ein Engelchen auf einem Marktstand und bittet die Mutter: „Ih möcht dau su a Engela.“

Die älteste bislang bekannte Darstellung des Rauschgoldengels findet sich auf einem Ölgemälde von Karl Johann Georg Reuss von 1767, das im Nassauer Haus hängt. Es zeigt die Familie Scheidlin. Deren jüngster Sohn Jakob hält eine Engelspuppe in der Hand, die mit ihrem gefalteten Rock und der Krone den heutigen Rauschgoldengeln recht ähnlich sieht. Allerdings hat der Engel neben Flügeln auch noch Arme.

Die Rauschgoldengel, wie sie die Familie Rehder darstellt, haben keine Arme. Vor allem Kindern fällt das sofort auf. „Warum hat der Engel keine Arme?“

Diese Frage wird Manfred Rehder am häufigsten gestellt. Er erklärt den Kindern dann schmunzelnd, dass Vögel ja auch keine Arme und stattdessen Flügel hätten.

Legenden und Geschichten zum Rauschgoldengel findet man auf der Seite „Rauschgoldengel“ unter der Adresse www.franken-wiki.de
 

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