ICE-Trasse Nürnberg-München - Der große Pfusch

22.2.2010, 00:00 Uhr
ICE-Trasse Nürnberg-München - Der große Pfusch

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln bestätigte am Wochenende, dass es Hinweise auf gefälschte Ankerprotokolle bei den Bauwerken der ICE-Strecke gebe. Die Münchner Staatsanwaltschaft kündigte an, dass die Vorwürfe geprüft würden.

Die Vorwürfe dürften aber wohl eher deren Kollegen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth intensiv beschäftigen. In ihrem Zuständigkeitsbereich liegt der in Frage kommende Streckenabschnitt zumindest großteils – das 35 Kilometer lange Baulos Nord.

Es erstreckt sich von Feucht (Kreis Nürnberger Land) bis nach Großhöbing (Kreis Roth). Dort hatte ausweislich der Projektunterlagen der Deutschen Bahn (DB) AG die Arbeitsgemeinschaft Bilfinger und Berger (Niederlassung München) und die Firma Max Bögl (Neumarkt/Opf.) den Zuschlag erhalten. Zuständig für die Baustellen und ihre Betreuung war laut diesen Papieren die Bilfinger-Niederlassung in Nürnberg.

1993 war die insgesamt 89 Kilometer lange Neubaustrecke europaweit ausgeschrieben worden. Am 3. September 1998 erfolgte die Vergabe der Baulose Nord, Mitte und Süd an einen Generalunternehmer. Im Herbst desselben Jahres begannen die Bauarbeiten auf ganzer Los-Länge. Dort gibt es eine ganze Reihe von Ingenieur-Bauwerken:

Schwarzachtalbrücke, Feucht;

Kreuzungsbauwerk der A 73;

Brücke der Staatsstraße 2225;

Regionalbahnhof Allersberg;

Unterquerung A 9-Ausfahrt Allersberg

Tunnel Göggelsbuch;

Bahnbrücke über den Main-Donau-Kanal;

Unterquerung A 9-Ausfahrt Hilpoltstein;

Tunnel Offenbau;

Brücke der Staatsstraße 2227;

Die erste öffentlichkeitswirksame Aktion war die Anschlagfeier am Tunnel Göggelsbuch am 18. Mai 1999. Die 2288 Meter lange Röhre auf dem Gebiet des Marktes Allersberg wurde in bergmännischer Bauweise in einem Gebiet mit schwieriger Geologie aufgefahren. Dabei kam es am Abend des 31. August 1999 zum teilweisen Einsturz der Tunneldecke – nur 30 Meter neben dem ersten Haus und ganze 40 Meter von der Autobahn A 9 entfernt, brach ein fünf mal fünf Meter großer Krater ein. Bis zur Klärung der Unfallursache wurden die Arbeiten eingestellt, konnten aber schließlich gefahrlos vollendet werden.

Die zweite böse Überraschung erlebten Ingenieure, Bauarbeiter und der Auftraggeber Bahn wenig später im Ortsteil Offenbau des Marktes Thalmässing: Dort kam die Erde nicht von oben, sondern das Wasser von unten. Statt eines Geländeeinschnitts für die ICE-Strecke war hier schließlich für ein Mehrfaches des geplanten Preises ein spezieller Tunnel nötig.

Grundwasser brach sich Bahn

Auf 1331 Meter Länge mussten zunächst Bohrpfähle eingebaut werden, die den Tunnelwänden den Rückhalt gaben. Obenauf kam eine schwere Betondecke, ehe die künftige Röhre an beiden Enden luftdicht verschlossen wurde, damit schließlich im Innern unter 1 Bar Überdruck das Erdreich ausgebaut und zugleich die Tunnelsohle schalenförmig betoniert werden konnte, ohne dass das Wasser die Baustelle erneut geflutet hätte.

Die Frage, in welchem der Bauwerk Pfusch am Bau vermutet wird oder gar vorhanden ist, war am Sonntag nicht zu klären. Anders als die Polizei hat die Justiz keine Einsatzzentrale und die Pressestelle ist am Wochenende nicht besetzt. Auch ist davon auszugehen, dass keine Gefahr im Verzug ist: Es besteht wohl bei keinem der Bauwerke eine akute Gefahr.

Die könnte, so bestätigen Baufachleute, allerdings theoretisch bestehen, wenn tatsächlich – wie beim Kölner U-Bahn-Bau offensichtlich schon bewiesen – Befestigungsanker nicht oder falsch eingebaut worden wären. Bauprotokolle zu der Verwendung der Stabilisierungsanker wurden vermutlich gefälscht, hieß es dazu bei der Staatsanwaltschaft Köln.

Nicht eingebaute Anker wurden Berichten zufolge schwarz verkauft. Ähnliches könnte sich auch bei der ICE-Strecke zugetragen haben. Bei den Ankern handelt es sich um Baustahlstäbe, die der Erhöhung der Standfestigkeit eines Bauwerks dienen.

Kölner Fahnder hatten am Freitag die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen für den Kölner U-Bahnbau durchsucht. Anschließend hatte die Staatsanwaltschaft die Mannheimer Zentrale von Baufirma Bilfinger und Berger über den Verdacht auf Manipulationen an der ICE-Trasse informiert.

Das Unternehmen hatte daraufhin angekündigt, die Arbeiten an der Trasse zu untersuchen. Hinweise auf den möglichen Pfusch stammen gab wohl ein ehemaliger Bauleiters des Unternehmens bei seiner Vernehmung, meldete der Kölner «Express».

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I sagte, seine Behörde werde überprüfen, ob es im eigenen Zuständigkeitsbereich derartige Vorfälle gebe. Wegen der Länge der Bahnstrecke könnten aber auch andere bayerische Staatsanwaltschaften oder auch die Behörde am Bilfinger-Berger-Sitz Mannheim zuständig sein.

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