Asylbewerberleistungsgesetz kommt nicht voran

9.4.2013, 15:01 Uhr
Asylbewerberleistungsgesetz kommt nicht voran

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Gefeiert wird an diesem Mittwoch ein Jubiläum - und die Kanzlerin hält die Festrede: 60 Jahre Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Mit lobenden Worten wird Angela Merkel den Wandel des Nürnberger Amtes von einer reinen Asylbehörde zum Kompetenzzentrum für Integration und Migration würdigen.

Die feierlichen Worte an diesem Mittwoch passen freilich nicht ganz zum gesetzgeberischen Stillstand in Berlin. Der hat nämlich auch die vom Bundesverfassungsgericht im Juli 2012 verlangte Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber erfasst.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung tritt dabei auf der Stelle. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgearbeitete Novelle schmort seit Anfang Dezember in der Ressortabstimmung. Im März - so war es geplant - sollte sie auf die Tagesordnung des Bundeskabinetts.

Daraus wurde nichts - und daraus wird voraussichtlich auch nichts mehr. Offiziell heißt es nur, es gebe noch Gesprächsbedarf. Damit wird vornehm umschrieben, dass sich die Beteiligten uneins sind.

Unter dem Existenzminimum

Der Streit geht schlicht darum, wie lange die Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden soll und nach welcher Zeit Anspruch auf - höhere - Leistungen aus dem Sozialhilfegesetz besteht. Davon hängt auch ab, ob die Betroffenen eine Arbeitserlaubnis früher oder erst später erhalten, also für sich selber sorgen können. Das wird zwar in der Novelle selbst nicht geregelt, ist aber ein wesentlicher Punkt der Auseinandersetzung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherigen Leistungen - weil zu niedrig - als verfassungswidrig gekippt. Sie waren 20 Jahre lang nicht mehr angepasst worden - und schufen nach Ansicht der Kritiker «ein Existenzminimum unter dem Existenzminimum». Bis zu einer Neuregelung bekommen die rund 130.000 Betroffenen die höheren, auf Hartz-IV-Niveau liegenden Leistungen der Sozialhilfe.

Laut Vorlage des Arbeitsministeriums sind für Flüchtlinge monatlich 336 Euro kalkuliert. In dem Betrag sind Sachleistungen wie Essenspakete für 202 Euro und 134 Euro Taschengeld enthalten. Der vergleichbare Hartz-IV-Regelsatz für Singles beträgt 382 Euro.

Im Streit um die Neuregelung macht sich das FDP-geführte Justizministerium dem Vernehmen nach dafür stark, die - niedrigeren - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur für drei Monate zu zahlen. Daran würde sich dann entweder die Arbeitserlaubnis oder die Sozialhilfe mit ihren höheren Leistungen anschließen. Das CSU-geführte Innenministerium pocht auf rigidere Bestimmungen.

Zahl der Anträge liegt weit unter dem ehemaligen Höchststand

Das federführende Arbeitsministerium hält sich bedeckt, verweist auf noch laufende Gespräche. Doch selbst wenn eine Einigung auf eine kabinettsfähige Vorlage zustande käme: Das Gesetz hat keine Chance auf Umsetzung bis zur parlamentarischen Sommerpause. Zumal die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat dagegen steht.

Für den Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, ist das eher ein Grund zur Freude. Er fordert, das Asylbewerberleistungsgesetz schlicht fallen zu lassen: «Der Staat darf nicht zum Zwecke der Steuerung von Migration - oder im Klartext gesprochen: der Abschreckung - Menschen mit weniger Sozialleistungen abspeisen, sie isolieren, an den Rand der Gesellschaft drängen und sie damit zu Menschen zweiter Klasse degradieren.»

«Und das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Baustein davon», kritisiert Burkhardt. «Es ist aber weder im Interesse des Staates noch der Flüchtlinge, dass sie alimentiert werden. Es muss unser aller Interesse sein, diese Menschen zu integrieren und sie zu befähigen, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und zu arbeiten.» Denn die Betroffenen blieben oft viele Jahre.

Im vergangenen Jahr stellten rund 65.000 Menschen oder 41 Prozent mehr als 2011 einen Asylantrag. Besonderen Zulauf gab es aus den Balkan-Staaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Keiner der Asylanträge wurde anerkannt. Weitere wichtige Herkunftsländer der Flüchtlinge waren die Krisen-Staaten Afghanistan, Syrien und Irak.

2007 wurde bei knapp 20.000 Erstanträgen auf Asyl ein Tiefpunkt registriert. Inzwischen hat sich die Zahl jedoch wieder mehr als verdreifacht - ohne aber die Dimension der 90er Jahre zu erreichen. Damals kamen regelmäßig mehr als 100.000 Asylbewerber nach Deutschland. Mit mehr als 400-000 Erst- und Folgeanträgen von Asylsuchenden verbuchte das BAMF 1992 das Allzeithoch.

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