Zwischen Schwein und Bärenfalle: Simon Becketts "Der Hof"

1.2.2014, 06:00 Uhr
Zwischen Schwein und Bärenfalle: Simon Becketts

© Rowohlt / PR

Sean ist das ärmste Schwein in diesem Buch. Gehetzt, scheinbar schuldig und durchgeschwitzt irrt die Hauptfigur über die Straßen von Südfrankreich, bevor er aus Angst vor der Polizei in ein kleines Waldstück flieht. Dann schnappt die Bärenfalle für zu. Der Fuß durchlöchert, blutig und schmerzend. Und Sean wird ohnmächtig.

Autor Simon Beckett braucht in "Der Hof" nicht viel, um die passende Atmosphäre für einen Thriller zu erzeugen. Sean floh aus England vor einem Verbrechen. Und da es die Aufgabe des Autors ist, seine Leser nur Stück für Stück mit Informationen zu versorgen, bleibt lange im Dunkeln, vor was Sean davonläuft. Dass er eigentlich unschuldig ist, tut für den Roman dann auch ziemlich wenig zur Sache.

Denn letztendlich ist Seans Antrieb nur der Kniff von Beckett, um ihn schnell auf den Hof von Arnaud und seinen beiden Töchtern zu bekommen. Dort liegt er verwundet zuerst auf dem Dachboden des Stalls, wird von den beiden Töchtern versorgt. Arnaud darf als Besitzer zuerst nichts von dem unerwünschten Besuch erfahren, kriegt es dann aber natürlich trotzdem mit - was zu einer vorhersehbaren Szene führt.

Doch die beiden Töchter Gretchen und Mathilde können ihren Vater dazu bewegen, dass er den Gast duldet und ihm sogar Arbeit auf dem Hof gibt, obwohl nie deutlich ist, ob Sean nicht doch eher ein Gefangener von Arnaud ist. Fliehen kann er mit seinem Fuß allerdings nicht und so bleibt ihm in seiner Ruhelosigkeit nur das Ausharren übrig.

Bald merkt Sean, dass die anderen Dorfbewohner das abseits gelegene Anwesen meiden. Bei Arnaud und seinen Töchtern liegt weit mehr im Argen als nur ein einfacher Familienstreit. Am Ende kommt die Vergangenheit wieder hoch. Und das gewaltig.

Atmosphärisch baut Beckett bei seinem neunten Roman ein astreines Konstrukt. Der nahe Wald samt See lädt er nie mit zu viel Bedeutung auf und auch die Schweinezucht von Arnaud hat hinterher noch einen ganz netten Kniff in der Geschichte. Allerdings verpasst es Beckett, seine Figuren spannend anzuordnen.

Seans Vergangenheit bis zu seiner Flucht aus England ist nett, aber nicht tragend für eine Parallelhandlung, die Beckett nach jedem Kapitel auf jeweils ein paar Seiten konstruiert. Auf dem Hof versucht nun die jüngste Tochter Gretchen ihn zu verführen, während er und die ältere Tochter Mathilde eigentlich anbandeln. Dazu läuft Arnaud ständig als grießgrämiger Tyrann durch die Szenerie. Wirklich mehr fügt Beckett diesen Charakteren nicht hinzu, was er für Sean aufbringt, verpasst er bei allen anderen Figuren. Besonders Arnaud ist unscharf gezeichnet und bleibt flach. Mit jeder Seite verheddert sich Beckett mehr in seine Stereotypen und kommt über diese nicht hinweg. Die Szenen selbst kommen ohne Gewalt aus, bleiben aber ein ums andere Mal stumpf. Aber immerhin quieken und schreien die Sauen nachts laut im Wald.

Was an manchen Stellen zu leichten Schwierigkeiten führt, ist die Erzählposition im Präsens, aus der Sean den ganzen Thriller ausbreitet. "Sie hält mir die Tablette und das Glas hin. Ich nehme beides und bin zu durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen", heißt es an einer Stelle. Doch offenbar ist Sean da nicht zu durcheinander, um von seiner Verwirrung in sauberen Sätzen zu berichten.

Trotzdem hat Sean die Sympathien auf seiner Seite, ist hier durchwegs der Held, obwohl das etwas einfallslos ist. Dass Beckett den Leser trotzdem dazu bringt, "Der Hof" durchzulesen, spricht für sein Können als Autor. Trotzdem darf es beim nächsten Mal wieder ein bisschen tiefer gehen. In der Geschichte und in der menschlichen Psyche.

Simon Beckett: "Der Hof" - Wunderlich, gebunden, 464 Seiten, 19,95 Euro.

Keine Kommentare