VAG: Mit dem Sicherheitsdienst auf nächtlicher Tour

31.10.2011, 07:00 Uhr
VAG: Mit dem Sicherheitsdienst auf nächtlicher Tour

© Roland Fengler

Freundlich lächelnd bezieht Siegfried Schmidt Position. Am Eingang zur Rolltreppe im Hauptbahnhof stellt er sich gegen 19 Uhr in seiner dunkelblauen VAG-Montur deutlich sichtbar auf, sein Kollege übernimmt den anderen Abgang zur U-Bahn-Station. Etliche Fahrgäste sind glücklich über die unverhoffte Hilfe bei Fahrplanauskünften und Problemen mit den Tickets, um diese Zeit hat kaum einer eine Flasche dabei.

„Die meisten Fahrgäste reagieren positiv, wenn sie uns sehen“, ist seine Erfahrung aus fast 30 Jahren Verkehrsbetriebe. Einer Dame erklärt er, dass sie ihre Hunde bitte nicht über die Rolltreppe laufen lassen solle, die Verletzungsgefahr für die Pfoten sei zu groß. Ein Pärchen bittet er darum, den Burger nicht in der U-Bahn zu essen.

Schmidt, hauptamtlich beim Sicherheitsdienst, kennt seine VAG in- und auswendig, genauso wie seine sieben Kollegen, die in dieser Nacht mit ihm auf Alkoholkontrollgang unterwegs sind. Fast alle sind sie Verkehrsmeister.

Einer kommt gerade aus der Schicht als Fahrkartenkontrolleur und hat zu seinem Funkgerät noch das Karten-Kontrollgerät am Gürtel hängen. Einige Leute drehen flugs ab, als sie ihn sehen, und gehen zu Fuß weiter. Andere wühlen hektisch nach ihrer Fahrkarte und stecken sie mit einem schnellen Seitenblick in den Entwerter.

„Im Sommer haben wir das Alkohol-Problem nicht, da trinken die Leute eher draußen in Freien, aber im Winter verlagert es sich nach drinnen“, erzählt Pressesprecherin Stefanie Dürrbeck. „Bei unseren Kontrollen sind 90 Prozent der Fahrgäste einsichtig“, meint sie zu Beginn der Tour durch die Nacht.

„Wir haben seit Einführung des Verbots erst zweimal die Polizei zur Unterstützung anfordern müssen.“ Zwei aufgestylte junge Damen kommen mit einem beachtlichen Sortiment an bunten Flaschen. Mit einem lauten Klirren fliegt eine auf die Treppe, es riecht nach Gummibärchen. „Alkopops“, meint einer der Kontrolleure fachmännisch. Jetzt ein Fall für den Putzdienst, den er gleich für die Lache anfordert.

Weil die anderen Flaschen geschlossen bleiben, dürfen die zwei Mädels in die U-Bahn einsteigen. „Wir haben mit dem Alkoholverbot auf die Wünsche unserer Fahrgäste reagiert“, betont die Pressefrau Dürrbeck. „Die meisten haben bei Umfragen gesagt, dass sie sich weniger an Essen und Trinken in den Bahnen stören, sondern am Alkoholkonsum.“

Die acht Männer der Schwerpunktkontrolle kennen die neuralgischen Punkte und Stationen, an denen nach Fete oder Discobesuch gern noch weitergezecht wird. Im Sommer die Wöhrder Wiese, beim Volksfest die Strecke an der Frankenstraße, je nach Anlass und Publikum haben sie dann viel zu tun.

Also geht es gegen zehn mit der U2 hinaus zur Herrnhütte. Doch da kommen sie zu spät, um mit einer Kontrolle noch Schlimmeres zu verhindern. Ein junges Mädchen sitzt apathisch auf der Treppe der Station, ihr Freund redet beruhigend auf sie ein. Aus den Bruchstücken der Unterhaltung lässt sich zusammenreimen, dass sie sturzbetrunken ist, dem Mageninhalt auf dem Bahnsteig nach zu schließen, war es eine heftige Tour.

„Da holen wir die Sanitäter“, beschließt Verkehrsmeister Peter Unmuth. Nach kurzer Zeit kommt der Sanka, die Helfer verschwinden hinter einer unscheinbaren grauen Eisentür in der Bahnstation. In einem kleinen Raum behandeln sie das Mädchen, geschützt vor den Blicken anderer Passanten. Später wird die 16-Jährige nach Hause gebracht – für sie ist der Abend gelaufen.

Drei junge Männer kommen in die Station, ins Gespräch vertieft und alle mit Bierflasche in der Hand. Doch vorbildlich werfen sie diese wie auf Kommando in den letzten Abfalleimer vor der Rolltreppe, gehen plaudernd weiter, sie haben die Kontrolleure gar nicht bemerkt. Siegfried Schmidt grinst, so ist es ihm am liebsten. Alle Mitarbeiter der VAG, die bei diesen Kontrollen unterwegs sind, haben spezielle De-Eskalations-Seminare hinter sich.

Das wichtigste Handwerkszeug ist „bitte“ und „danke“ sowie das kleine Faltblatt mit der VAG-Hausordnung. „Wenn wir Leute ansprechen, dann sagen 99 Prozent, das wusste ich nicht, und packen die Flasche weg“, erzählt er. „Auswärtige sagen oft, allmächd, des hab ich net gewusst, tut mir leid!“ Deshalb hat die VAG auch keinen Plan in der Schublade, ein Bußgeld zu erheben, Bitten und Ermahnungen genügen. Zurück zum Hauptbahnhof: Über Funk hören die Kontrolleure mit, wo gerade etwas los ist.

Kurzer Stopp an der Wöhrder Wiese. Wie ausgestorben liegt die Station abends da. Ein älterer Herr wühlt unten am Bahnsteig zwei leere Flaschen aus dem Abfalleimer, nimmt sie mit in die nächste Bahn. Wahrscheinlich klappert er die Bahnhöfe nach Pfandflaschen ab und macht seinen eigenen Zug durch die Nacht. Unterwegs muss Peter Unmuth noch schnell nach einer Rolltreppe schauen, die ihren Geist aufgegeben hat, Beschwerde eines Fahrgastes.

Die anderen fahren weiter, verteilen sich auf dem Bahnsteig am Hauptbahnhof. Eine Gruppe Jugendlicher taucht auf, sichtlich und hörbar fröhlich und angeschickert, offene Flaschen in der Hand. „Achtung, die Sheriffs sind da“, kräht einer und steckt feixend die Flasche weg. Bei seinem Kumpel muss Siegfried Schmidt ein wenig helfen, bis sie in der modischen Jeans verstaut ist. Sie flachsen ein wenig mit ihm und ziehen weiter. „Heute ist es echt ruhig“, meint Unmuth zwei Stunden später.

Er ist noch durch etliche U-Bahn-Waggons gelaufen, doch kaum jemand hat offen getrunken. Ein Stopp am Plärrer, nichts los. Anscheinend sind die Nachtschwärmer heute Nacht woanders. Ein paar Raucher waren vor der Kälte in den Bahnhof geflüchtet und gehen auf einen Hinweis aufs Rauchverbot an die frische Luft. Seine Bilanz morgens um eins bei Dienstschluss: „Kein Ärger, keine Randale, kaum Fahrgäste, die wir ansprechen mussten – solche Nächte sind mir am liebsten.“

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