Wolfram Weber erinnert sich an 40 Jahre Meisengeige

12.9.2010, 16:27 Uhr
Wolfram Weber erinnert sich an 40 Jahre Meisengeige

© Karl-Heinz Daut

Wolfram, Frank und Eckart Weber eröffneten 1970 die „Meisengeige“. Drei totale Kinolaien. So brach Wolfram sein Chemie-Studium nach dem Vor-Diplom ab. Einzig Eckart hatte als gelernter Kameramann Bezug zur Filmbranche.
Am Wochenende feierte die Nürnberger Programmkino-Institution ihren 40. Geburtstag. „Die machen ein Kino auf, wo überall Lichtspielhäuser geschlossen werden. Unsere Kollegen haben uns milde belächelt“, erinnert sich der damals 23-jährige Wolfram Weber.

Als Kinosaal diente eine Backstube. „Bäckerei Emmert steht immer noch an der Fassade“, sagt Weber, „das haben wir nicht weggemacht.“ Das Büro befand sich im 1. Stock. Das oberste Geschoss diente als Wohnung. Das Interieur der Anfangszeit war nicht unbedingt Luxus, so saßen die Film-Freaks u.a. auf „Sofas vom Sperrmüll und einer Sitzbadewanne.“ Doch Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Als im Phöbus-Palast 1972 der allerletzte Vorhang fiel, wanderten einige der Kinosessel vom Königstorgraben Richtung Laufer Schlagturm.
Anfangs zeigte man mit einem 16-Millimeter-Projektor die Filme von Polanski oder Truffaut. Dann kamen die deutschen Autorenfilmer wie Werner Herzog und Volker Schlöndorff dazu. Die durch die Bank auch gerne persönlich in die „Meisengeige“ kamen.

Russ Meyer und die Superhexen

Wie auch bald der amerikanische Underground: „John Waters war hier. Und Russ Meyer präsentierte persönlich seinen Streifen ,Im tiefen Tal der Superhexen‘.“ Doch auch die „Rocky Horror Picture Show“ und das Melodram über die Beziehung von „Harold und Maude“ entwickelten sich zu absoluten „Geige“-Klassikern. Henrys Baby ist alles andere als goldig. Der Balg liegt auf der Kommode, sein riesiger Kopf ist auf ein Kissen gebettet, und das deformierte Monstrum schreit den lieben, langen Tag. „Eraserhead” heißt das Spielfilmdebüt von David Lynch und es war das Aushängeschild des „Fantasia“-Filmverleihs. Den gründeten die
Nürnberger „Programmkino“-Betreiber als zweites Standbein in den 70ern.
 

Heute versprüht die „Meisengeige“ nach wie vor den Graddelkino-Charme der 80er. Doch dies gilt nur bezüglich der Optik. Weber legt Wert auf die Tatsache, dass sein Stammsitz mit der gleichen Technik wie das Cinecitta ausgestattet ist.
„Die Projektion in der ,Meisengeige‘ ist vollkommen digitalisiert. Wir sind das einzige Programmkino, das diesen Standard hat“, erläutert Weber. Eine durchaus lohnenswerte Investition, denn die Besucherzahl stieg seither um 30 Prozent. „Mit der ,Geige‘ schreiben wir eine schwarze Null.“ Das Kino war jahrzehntelang die letzte Bastion für filmbegeisterte Raucher.
 

Wolfram Weber erinnert sich an 40 Jahre Meisengeige

© Uwe Niklas

Dies ist seit dem neuen Gesetz zum Schutz der Nichtraucher Schnee von gestern. Doch Nichtraucher Weber findet „das Klasse. Den Gestank will doch kein Kinobesucher mehr haben.“ Jetzt gebe es halt den Raucherbereich vor der Tür, der zum „totalen Kommunikationsplatz“ mutierte. „Ich habe nicht vor, die ,Meisengeige‘ in den nächsten 40 Jahren zu schließen“, lautet Webers Fazit. Doch der lokale Kino-Mogul ist nicht unbedingt als sentimentaler Nostalgiker bekannt. Deshalb folgt als Nachsatz: „Wenn es finanziell machbar ist.“