Vergessen ist Schnee von gestern

7.2.2012, 13:00 Uhr
Vergessen ist Schnee von gestern

© privat

Frau Hayn, welchen Pulli haben Sie heute vor einem Jahr getragen?

Julia Hayn: Uiiiii! Keine Ahnung.

Ein Gedächntisprofi vergisst etwas?

Julia Hayn: Ja, natürlich. Ich habe leider nur ein völlig durchschnittliches Gedächtnis. Aber dank der verschiedenen Merktechniken flutscht nur wenig durch. Ich gehe auch immer ohne Einkaufszettel einkaufen. Stattdessen habe ich im Kopf an Herd, Kühlschrank, Küchenschrank und anderen Stationen die Dinge abgelegt, die ich besorgen muss.

Geben Sie doch ein paar Tipps, wie man sein Gehirn ganz nebenbei trainieren kann.

Julia Hayn: Der Clou ist: Unser Gehirn liebt Neues. Also ist es gut, aus Gewohnheiten auszubrechen. Das lässt neue Verknüpfungen im Hirn entstehen. Also etwa die Computermaus auf die linke Hand umstellen, die Sitzordnung am Esstisch immer mal ändern oder Vokabeln auf dem Trampolin hüpfend üben. Meine Kinder und ich bringen uns gerade jonglieren bei: Die Bewegung über Kreuz über die Körpermitte fordert das Gehirn.

Wie steht es mit Gehirnjoggingspielen oder Sudoku?

Julia Hayn: Elektronische Gehirnjoggingspiele sind sicher eine gute Übung. Wer aber immer auf einem Level spielt oder immer nur Sudokus löst, erreicht nur, dass er in Sudokus besser wird oder im Nintendo-Spielen fit ist. Es kommt auf Abwechslung an.

In der Serie haben Sie verschiedenste Techniken vorgestellt, die sich zum Merken von Informationen, Zahlen und Fakten eignen. Was haben alle Techniken gemeinsam?

Julia Hayn: Der Mensch hat 100 Milliarden Nervenzellen im Gehirn. Es gibt also unglaublich viele Möglichkeiten Informationen abzuspeichern. Um sie aber auch wieder abrufen zu können, muss ich mein Gehirn trainieren – wie einen Muskel. Es geht bei allen Techniken darum, Assoziationen in Form von Bildern und Geschichten zu finden für die Info, die ich mir merken möchte. Durch die Verknüpfung von Fakt und Bild arbeiten beide Gehirnhälften zusammen. Ich nutze also automatisch mehr „Arbeitsspeicher“. Je abstruser die Geschichten sind, desto einprägsamer sind sie übrigens – denn was mit starken Gefühlen belegt ist, wandert ins Langzeitgedächtnis. Aber trotzdem gilt: wiederholen, wiederholen, wiederholen.

Geben Sie doch noch ein Beispiel.

Julia Hayn: Ich will mir wegen eines Bewerbungsgespräch den Namen meines Gesprächpartners merken – nennen wir ihn einmal Herrn Waldmüller. Als Erstes mache ich mir vor der Begrüßung bewusst: Aufpassen, jetzt kriege ich einen Namen gesagt. Den wiederhole ich dann selbst, wenn ich Herrn Waldmüller begrüße. Dann überlege ich, was mir an Herrn Waldmüller besonders auffällt: Seine eckige Brille etwa. Ich stelle mir lauter kleine Bäume auf dem Brillenrand vor: So habe ich den „Wald“. Um das Bild zu verstärken, kann ich mir auch noch vorstellen, wie der Wald riecht. Dann verankere ich mir das Bild zu „Müller“: Ein Müller mit einem Mehlsack auf dem Rücken läuft durch den Wald. Diese Technik kann man auch beim Shoppen super üben – schließlich tragen Verkäufer heute fast immer ein Namensschild.

Sie bringen Menschen nicht nur bei, sich Dinge zu merken, sondern auch kreativ zu sein. Kreativität und Querdenken kann man auch trainieren?

Julia Hayn: Kreativität heißt ja nicht, gut malen können. Eine tolle Kreativitätstechnik ist zum Beispiel die „635-Technik“. Ich bilde eine Gruppe mit sechs Leuten. Jeder überlegt sich zu einem Thema in fünf Minuten drei Ideen und schreibt sie auf. Dann reicht er sein Blatt weiter an den Nachbarn – der zu den ersten drei Ideen drei weitere schreibt oder die ersten Ideen ergänzt. Haben alle sechs Teilnehmer jedes Blatt einmal bearbeitet, habe ich eine große Ideensammlung als Diskussionsgrundlage.
 

Verwandte Themen


1 Kommentar