Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht?

19.3.2018, 05:54 Uhr
Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht?

© Foto: Lino Mirgeler/dpa

Horst Seehofer war noch keine zwei vollen Tage im Amt des Bundesinnenministers, da geschah bereits das, was viele vorhergesagt hatten: Die Kanzlerin höchstselbst fühlte sich bei einer Pressekonferenz bemüßigt, korrigierend einzugreifen. Und nicht nur sie. Auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte klar, dass die Position des CSU-Vorsitzenden nicht unbedingt die ihrer eigenen Partei ist. Mit so einer frühen Meinungsverschiedenheit hatte dann doch keiner gerechnet.

In einem Interview mit der Bild-Zeitung hatte der bisherige bayerische Ministerpräsident gesagt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt." Anschließend merkte er noch an, dass die in der Bundesrepublik lebenden Muslime "selbstverständlich" zum Land gehörten. Mit seiner Äußerung bezog sich Seehofer auf den wohl bekanntesten Satz des Kurzzeit-Bundespräsidenten Christian Wulff ("Der Islam gehört zu Deutschland.").

Dem frischgebackenen Innenminister musste klar sein, dass Merkel seine Formulierung nicht gefallen würde. Die Kanzlerin hält es für müßig, solche relativ abgehobenen und abstrakten Fragen zu diskutieren. Wenn sie sich schon äußert, dann im Sinne eines Wulff. Nach einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven stellte sie fest, in der Bundesrepublik lebten inzwischen vier Millionen Anhänger dieses Glaubens: "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam." Allerdings müsse dieser auf der Grundlage des Grundgesetzes basieren.

Was trieb Seehofer dazu, so schnell gegen die Kanzlerin Position zu beziehen? Ein Grund dafür könnte sein, dass er gleich zu Beginn sein Terrain markieren wollte. Damit niemand auf die Idee kommt, er unterwerfe sich der Richtlinienkompetenz der Regierungschefin. Oder wollte er seinem an diesem Tag in München gewählten Nachfolger Markus Söder die Schau stehlen? Tatsächlich war die Islam-Äußerung in etlichen Nachrichtensendungen die Spitzenmeldung – und nicht der neue Ministerpräsident.

Auf Linie gebracht

Eines steht jetzt schon fest: Ein Innenminister vom Schlage eines Thomas de Maizière dürfte Seehofer wohl nicht werden. Der sächsische Christdemokrat, eher oberster Beamter als Gestalter, vertrat höchst selten eine andere Position als die vom Kanzleramt erwünschte. Und wenn es mal so war, dann ließ er sich schnell wieder auf Linie bringen. De Maizière nahm es sogar unwidersprochen hin, dass die Koordination der Flüchtlingspolitik auf Kanzleramtsminister Peter Altmaier übertragen wurde.

Wenig überraschend waren nach dem Interview Seehofers die Reaktionen der Opposition. Jürgen Trittin von den Grünen warf ihm vor, Wahlkampf für die AfD zu machen. Ein Heimatminister, der die Menschen in Glaubensfragen spalte, sei "fehl am Platze". Die bayerische SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen stellte fest: "Mit so einem Satz hetzt man Menschen gegeneinander auf."

Unangenehmer ist es für den Bundesinnenminister, dass ihm auch innerhalb der Union ein scharfer Wind entgegenwehte. "Solche Sätze bringen uns nicht weiter", sagte Annette Widman-Mauz (CDU), die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer verwies auf den von Seehofer unterzeichneten Koalitionsvertrag, in dem die Stärkung des Zusammenhalts als Ziel festgelegt worden sei. Religionsfreiheit auf dem Boden des Grundgesetzes gehöre "unstreitig" zu Deutschland.

Eine der wenigen aus der CDU, die den Bayern verteidigte, war stellvertretende Bundesvorsitzende Julia Klöckner. "Zu uns in Deutschland gehört keine Radikalisierung, gehören keine Fundamentalisten", sagte sie.

Und der neue bayerische Ministerpräsident? Der stellte sich hinter seinen Vorsitzenden, selbst wenn er den Zeitpunkt vielleicht nicht für besonders gelungen hielt. "Diese Aussage stimmt, Ja" antwortete er auf eine entsprechende Frage in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Söder?".

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