Selbsttest in Nürnberg: Gibt es Kaffee auch in die eigene Tasse?

1.3.2016, 06:00 Uhr
Selbsttest in Nürnberg: Gibt es Kaffee auch in die eigene Tasse?

© Ralf Rödel/NN

Es ist der Duft, der uns aus dem Bett lockt. So verführerisch stellt es zumindest die Werbung dar. Vielleicht ist der Kaffee auch deswegen des Deutschen liebstes Getränk. Mit 162 Litern pro Kopf liegt der Konsum des Wachmachers für das Jahr 2014 sogar vor Mineralwasser (143 Liter) und dem Bier (107 Liter).

Die Deutsche Umwelthilfe schlägt Alarm. Nicht wegen des Koffeins, aber der Pappbecher wegen. Fünf Prozent des jährlichen Pro-Kopf-Konsums gehen mit 320.000 Bechern stündlich über den Tresen in Deutschland. Das sind 89 Stück, die jede Sekunde für die to-go-Variante benutzt werden. Im Jahr summiert sich das auf drei Milliarden Pappbecher.

Die Umwelthilfe sucht daher Becherhelden. Mit der Aktion will der Verband to-go-Kaffeetrinker sensibilisieren, das Getränk in eigens mitgebrachte, wiederverwertbare Gefäße, einfüllen zu lassen.

Ein Lächeln kann Gamze Takim nicht verbergen, als ich vor ihr stehe. Mit meiner Keramiktasse bewaffnet, frage ich im Meydan Imbiss in Nürnberg nach einem Kaffee zum mitnehmen. Der jungen Frau ist es noch nicht passiert, dass jemand das Heißgetränk im mitgebrachten Gefäß mitnehmen will. "Aber warum nicht", schmunzelt die junge Frau, "der Kunde ist König."

Zunehmende Wegwerfmentalität

In Nürnberg wäre man um jeden Kaffeetrinker froh, der auf die Einmalbecher verzichtete. Der Servicebetrieb öffentlicher Raum (SÖR) ist für das saubere Image der Stadt verantwortlich, beklagt aber die zunehmende Wegwerfmentalität der Bürger. Ein Grund der wachsenden Müllflut sind die kartonierten Verpackungen, die den Käufern zur Pizza oder dem Kaffee in die Hand gedrückt werden. Kaum getrunken, landet der to-go-Becher im Mülleimer. Umweltfreundlichkeit sieht anders aus.

Tom Deuerlein vom gleichnamigen Café in Nürnberg hat sich deshalb auch geweigert, sie seinen Kunden anzubieten. Zehn Jahre war er damit erfolgreich, sagt er. Vor eineinhalb Jahren konnte aber auch er dem Druck nicht standhalten und musste nachrüsten. Jetzt gibt es auch dort Becher und Deckel. Die lassen sich aber recyceln. Nicht nur wegen des Mülls, auch wegen der Kaffeekultur beklagt Deuerlein die "schicke to-go-Mentalität". Espresso sei schließlich nicht mit "schnell" zu verwechseln. "Zeit, ihn in einer Keramiktasse zu trinken, sollte sein."

Bruno Bozic kommt fast jeden Tag an den Tresen, um seinen Espresso abzuholen. Immer dabei: Seine eigene Tasse. Ungefähr fünf weitere Stammgäste zählt Deuerlein, die das Café mit eigenem Equipment aufsuchen.

Zwar müssen Betreiber für die Becher Geld in die Hand nehmen, am Ende rechnet es sich trotzdem. Der im Laden getrunkene Kaffee wird mit 19 Prozent Mehrwertsteuer veranschlagt, das Getränk zum mitnehmen mit sieben Prozent. Zwölf Prozent Steuern spart sich also ein Kaffeeladen bei jedem Verkauf.

Fans bechern beim Fußball

Richtig viel bechern an Fußballspieltagen die Besucher des Nürnberger Stadions. Ein schlechtes Gewissen müssen die Fans nicht haben. Beim 1. FC Nürnberg setzt man, zusammen mit dem zuständigen Caterer Aramak, auf kompostierbare Einweggefäße aus Maismehl. Wie viele davon an einem Spieltag an die Fußballfans gehen, darüber will Aramak keine Auskunft geben.

Der Umwelt und dem eigenen Geldbeutel etwas Gutes tun? Das ist unter anderem bei "Mr. Bleck", einer Cafékette des fränkischen Bäckerbetriebs "Der Beck" möglich. Für gut zehn Euro kann der Koffeinliebhaber einen Alubecher erwerben. Bei jedem Abfüllen gibt es zwanzig Prozent Rabatt auf das Heißgetränk. Langfristig dürfte sich Natur und Geldbeutel also freuen.

Dementsprechend verzieht Sebastian Kögel keine Miene. Den Kaffee gibt es bei "Mr. Bleck" auf Nachfrage auch hier in der eigenen Tasse. Den mittleren Cappucchino millimetergenau abfüllen kann er vielleicht nicht immer, aber das Mischverhältnis bleibe gleich. Vier Jahre lang hat er in Ansbach die Künste des Barista gelernt. "In den letzten Jahren hat die Nachfrage zugenommen", beobachtet er. Nur hygienische Gründe sprechen dagegen. Wenn noch die Reste des letzten Kaffees an der Tasse kleben würden, zum Beispiel.

Sauerkraut zum mitnehmen?

Sauerkraut, Sied- und Blutwurst to-go? Ist das in Franken möglich? Wäre es, wenn die Hygienenvorschriften nicht dagegen sprächen, sagt Britta Fischer von der Nürnberger Metzgerei Walk. Die Plastikschüssel des Kunden darf nicht über den Tresen gereicht werden. "Wie soll es so funktionieren, Plastik zu vermeiden?", fragt sie.

Bei der Nürnberger Rösterei Machhörndl stehen die "Keep Cups" an prominenter Stelle neben der Kasse. Wer "Lust auf einen richtig geilen Kaffee", so bewirbt das Café ihr Produkt, hat, kann ihn in die hauseigene to-go-Variante aus Glas oder Plastik tun.

Kultur und Umweltschutz steht auch beim Verein Geschichte für Alle ganz hoch im Kurs. "Bei ernährungsgeschichtlichen Stadtrundgängen in Nürnberg, Fürth oder Bamberg", sagt Stephanie Preylowski, "verwenden wir Becher aus Maisstärke." Seit 2010 sind sie Teil der Rundgänge.

Das Fazit unseres Selbstversuchs: Nirgends ernteten wir entgeisterte Gesichter. Alle zufällig aufgesuchten Cafés haben unseren Wunsch erfüllt und unseren Umweltgedanken für gut befunden. Es ist keine gewagte Prognose: Becher werden auch weiterhin zum Bild der Kaffeetrinker gehören. Sie gibt es aber auch in der umweltfreundlichen Variante. Nach wenigen Wochen bleibt von ihnen weder Deckel noch der Becher selbst übrig. Die Variante kostet im Schnitt ein paar Cent mehr, profitieren könnten Cafés mit einem umweltfreundlichen Image sicherlich.

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