22. Oktober 1963: Straßenbahn weiter im Defizit

22.10.2013, 07:00 Uhr
22. Oktober 1963: Straßenbahn weiter im Defizit

© Gerardi

Die Straßenbahn kostet viel Geld, bleibt aber ein Draufzahlgeschäft. Ihr Verlust schlägt in der Bilanz für 1962 mit 14,2 Millionen DM zu Buche. Trotzdem aber mußten in diesem Jahr 29, heuer bis jetzt schon 27 Großraum-Fahrzeuge angeschafft werden. Ein neuer Betriebshof beim Linde-Stadion an der Bayreuther Straße, der den modernen Anforderungen entspricht, hat 10 Millionen DM gekostet.

Die Neuigkeiten für den Betrieb und das alte Leid mit der Bilanz gab gestern Generaldirektor Prof. Ipfelkofer bekannt. Er hofft jedoch, dass sich in diesem Jahr nach der Fahrpreis-Erhöhung der Verlust vermindert.

22. Oktober 1963: Straßenbahn weiter im Defizit

© Gerardi

Erst seit dieser Woche hat die Verkehrs-AG endlich einen vollwertigen Ersatz für das vor Jahrzehnten abgerissene „Straßenbahn-Depot“ am Luitpoldhain und für die unzulänglich gewordenen Betriebshöfe Johannis und Maxfeld: den neuen Betriebshof Nordost zwischen Bayreuther, Elbinger und Karl-von-Linde-Straße.

Der Aufsichtsrat der VAG besichtigte gestern, geführt von Direktor Wilhelm Petersen und Betriebsdirektor Wacker, das 10-Millionen-DM-Objekt. Es hat leider schon vor der offiziellen Eröffnung durch verschiedene Beschwerden von Anwohnern über Geräuschbelästigung von sich reden gemacht. Wenn die 50 Weichen eingefahren sind, wird diese Belästigung wesentlich zurückgehen, zumal die Abstell- und Rangiergleise und die Weichenstraßen ja absichtlich in die überdachten Hallen einbezogen worden sind.

22. Oktober 1963: Straßenbahn weiter im Defizit

© Gerardi

Der neue Betriebshof fasst gegenwärtig 140 vierachsige Großraumwagen, also 70 Züge und 28 Omnibusse. Von den 18 Abstellgleisen fahren die Wagen im Durchlauf-Verfahren zu den Arbeitsplätzen, wo sie durchgesehen, anschließend mit Staubsaugern und Handwaschbesen innen gesäubert und zum Schluß von einer automatischen Waschanlage gründlich von außen gereinigt werden. Diese Wartung dauert durchschnittlich eine halbe Stunde, so daß zwischen 9 und 16 und zwischen 20 und 5 Uhr 50 bis 60 Wagen überprüft und gepflegt werden können. Ein ähnliches Durchlauf-Verfahren wird auch für die Omnibusse angewandt.

Den Architekten des wohldurchdachten Betriebshofs, den Dipl.-Ing. Gerhard und Hermann Scherzer, ist es gelungen, den vielfältigen Forderungen der Betriebstechnik bis ins kleinste Detail zu entsprechen und den umfangreichen Baukörper mit 17 000 Quadratmeter überbauter Fläche, mit Werkstatt- und Sozialbau, Sandbunker, Heizhaus und Trafostationen klar zu gliedern. Die VAG hat – wenigstens auf diesem Gebiet – „wieder ein wenig Luft“, wie sich Direktor Petersen ausdrückte.

22. Oktober 1963: Straßenbahn weiter im Defizit

© Gerardi

Daß sich die Gesellschaft auch auf anderen Gebieten, zum Beispiel dem der Verkehrssicherheit, bemüht, an der Spitze der Entwicklung zu bleiben, zeigte sich bei der Fahrt des Aufsichtsrates vom Hochhaus am Plärrer zum Nordostbahnhof. Sie wurde nämlich mit dem Triebwagen Nr. 208 unternommen, der seit zehn Monaten auf der Linie 21 schon 50 000 Kilometer mit einer neuentwickelten „Simatic“-(Siemens-Automatic-)Steuerung zurückgelegt hat. Dabei leitet der Fahrer lediglich das Beschleunigen oder Bremsen ein, das dann auf elektronischem Weg durchgeführt und gesteuert wird. Dadurch wird verhindert, dass die Bremsen blockieren und der Wagen ins Gleiten und Rutschen kommt, wodurch sich bei nassem Wetter und schmierigen Schienen schon manche Unfälle ereignet haben.

Die Klagen, die beim Vortrag über die Bilanz der Städtischen Werke und ihrer beiden Gesellschaften (EWAG und VAG) zu hören waren, sind hingegen nicht ganz neu. Die Verkehrsbetriebe hatten mit 14,2 Millionen wieder ein Defizit, das nicht einmal durch den Gewinn der EWAG (12,3 Millionen) ausgeglichen werden kann.

Zusammen mit dem Verlust-Vortrag von 1961 (1,6 Millionen) schließen die Städtischen Werke als „holding“-Gesellschaft daher mit einem Reinverlust von 3,7 Millionen DM ab. Prof. Ipfelkofer glaubt aber, daß es heuer möglich sein müßte, einen Teil des vorgetragenen Defizits abzudecken oder gar  auszugleichen.

Verwandte Themen