23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

23.10.2013, 07:00 Uhr
23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

© Gertrud Gerardi

23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

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Noch vorsichtiger als ein rohes Ei wurde gestern eine Kobaltbombe von Erlangen nach Nürnberg befördert.

Der Lastwagen mit der ebenso kostbaren wie gefährlichen Fracht bekam auf seinem ganzen Weg ein Polizeigeleit. Er hatte einen zwei Tonnen schweren, strahlensicheren Bleibehälter geladen, in dem die Kobaltkapsel von ganzen 45 Gramm Gewicht saß.

Diese Strahlenquelle war für ein neues, hochmodernes Gerät in den Krankenanstalten bestimmt, mit dem künftig krebskranke Patienten behandelt werden.

„Vorsicht Co-60-Strahlung“ stand auf Warnschildern an dem Lastwagen, den zwei Funkstreifen mit Blaulicht in die Mitte genommen hatten und sicher durch die Fährnisse des Verkehrs eskortierten. Das erste Hindernis stellte sich dem Geleitzug erst mit der Krankenhauspforte in den Weg: Sie war für den Lastwagen nicht hoch genug, so dass er einen Umweg nehmen und von hinten in das Krankenhaus fahren mußte.

23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

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Dort wurde der Transport von einem Empfangskomitee (Oberbürgermeister, Stadtkämmerer, Baureferent u. a.) erwartet, das eines prominenten Gastes würdig gewesen wäre. Die Herren erlebten denn auch mit zahlreichen „Zaungästen“ in den Klinikfenstern, wie der Bleibehälter behutsam von einem Kran in den Strahlenbunker hinuntergehievt wurde. Heute wird die Strahlungsquelle aus dem Behälter heraus in das Gammatron eingeschoben.

Bei diesem Manöver muß alles klappen, sonst entsteht höchste Gefahr. Die Kobaltkapsel strahlt nämlich so stark radioaktiv, dass sich niemand im Raum befinden darf, wenn ein Patient behandelt wird. Der Kranke wird über zwei Grundig-Fernaugen an Bildschirmen in einem Nebenraum beobachtet.

In Erlangen hergestellt

23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

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Das „Gammatron I“, aus dem die Kobaltkapsel ihre Strahlen buchstäblich herausschießt, ist das modernste Gerät dieser Art: es ist von den Siemens-Reiniger-Werken in Erlangen hergestellt worden. Mit ihm ist es möglich, eine hohe Strahlendosis zielsicher an den Krankheitsherd heranzubringen, auch wenn er tief im Körperinneren liegt, dabei aber das gesunde Gewebe zu schonen. Auch Haut und Knochen sind wesentlich stärker entlastet als bei normaler Gammastrahlung.

23. Oktober 1963: Kobaltbombe soll heilen helfen

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Die Heilwirkung geht von der ultraharten Gammastrahlung des radioaktiven Isotops Kobalt 60 aus. Es befindet sich in kleinen Drahtabschnitten in einer zylindrischen Kapsel von zwei Zentimeter Durchmesser und Höhe. Die „Quelle“ von nur 45 Gramm Gewicht hat eine Strahlungsleistung, die drei Kilogramm Radium entsprechen würde; der Gesamtvorrat an Radium auf der Welt macht jedoch nur die Hälfte davon aus. Die Dosisleistung der Kapsel nimmt in fünf Jahren um die Hälfte ab, wie Physiker Dr.-Ing. Günter Balz vom Strahleninstitut der Krankenanstalten erläuterte.

285.000 DM Kosten

Die „Quelle“ kommt aus einem kanadischen Atomreaktor und ist in jenem Behälter, der 50.000 mal mehr wiegt, als sie selbst, nun bis nach Nürnberg gereist. Mit Lichtvisieren im Gammatron, das 285.000 DM gekostet hat, ist es möglich, die Strahlung genau auf dem Tumor einzustellen, der beim Röntgen festgestellt worden ist. Ein Lichtstrahl ahmt dabei den Nutzstrahl nach, der auf die vorgesehene Stelle trifft, wenn der Verschluss geöffnet ist.

Bald schon soll die Kobaltbombe helfen, Menschen von einem schweren Leiden zu befreien.

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