24. Oktober 1965: Große Welt im Kleinen

24.10.2015, 07:00 Uhr
24. Oktober 1965: Große Welt im Kleinen

© Rödel

Der Gedanke daran fällt freilich in eine Zeit, in der die Stadt kaum noch weiß, woher sie das Geld für ihre dringendsten Aufgaben nehmen soll. Ob aus der reizenden Idee jemals greifbare Wirklichkeit wird, hängt nicht allein vom Stadtrat, sondern weit mehr noch von den Bürgern ab, die den Plan mit Spenden unterstützen müßten. Bei einem Gespräch erläuterte uns Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser, was ihm unter dem Begriff Spielwarenmuseum vorschwebt.

Die Stadt besitzt schon ein Haus, das nur noch darauf wartet, bis unters Dach mit Spielwaren gefüllt zu werden. Es ist das historische Anwesen Karlstraße 13, das in seiner heutigen Form um 1600 entstanden ist. Für ein Museum erscheint der „wunderschöne Bau“ besonders geeignet, weil er Räumlichkeiten aus dem Barock und der Rokokozeit enthält. „Klein, aber fein“, sagt Dr. Glaser von dem Haus, das in einem zweiten Bauabschnitt mit einem modern verglasten Trakt erweitert werden kann, der jedoch nicht von heute auf morgen benötigt wird.

24. Oktober 1965: Große Welt im Kleinen

© NN

Wichtiger als der äußere Rahmen eines solchen Museums ist zweifellos aber sein Inhalt. Den Grundstock für die Nürnberger Einrichtung (Glaser: „Damit steht und fällt die Sache.“) soll eine Privatsammlung bilden, die von ihren Besitzern verkauft oder „verrentet“ wird. Sie enthält beispielsweise 130 bis 150 Puppenstuben, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen und kulturhistorisch besonders wertvoll sind, weil sie bis in Einzelheiten ein Spiegelbild vom Leben in vergangenen Zeiten liefern. Die Sammlung gilt als eine der bedeutsamsten in der Bundesrepublik und Europa. „Wenn es uns nicht gelingt, sie zu erwerben, müssen wir die Idee des Museums fallenlassen“, erklärt der Schul- und Kulturreferent mit einem deutlichen Hinweis darauf, daß der Ankauf der Stadt eine große Last auferlegt.

So wichtig der Stadt diese hübsche Sammlung mit Puppen und Holzspielzeug, Zinn und kleinen Häusern erscheint, sie hat auch schon ihre Fühler in andere Richtungen ausgestreckt, um das Haus in der Karlstraße bunt und vielseitig ausgestalten zu können. Mit dem Germanischen Nationalmuseum soll noch in diesem Herbst ein Vertrag über Leihgaben abgeschlossen werden. Die Bayerische Landesgewerbeanstalt wäre auch ein Partner in diesem Spiel, denn sie besitzt vor allem reizende Sachen im Jugendstil. An private Leihgeber ist ebenfalls gedacht.

Weil das Museum die ganze Welt des homo ludens (des „spielenden Menschen“) erfassen soll, will Dr. Glaser in ihm Bilderbücher ebensowenig missen wie die bildende Kunst. Die Stadtbibliothek versetzt ihn dabei in die glückliche Lage, sich wegen der Bilderbücher den Kopf nicht zerbrechen zu müssen. Sie besitzt viele verborgene Schätze; eine Bibliographie der Nürnberger Bilderbücher nennt allein 1.660 Titel. Die Malerei kann schließlich dazu beitragen, das Bild vom Spiel abzurunden (etwa mit dem Gemälde eines spielenden Kindes).

Weniger problematisch erscheint es dem geistigen Vater des Museums, modernes Spielzeug heranzuschaffen. Er darf mit gutem Recht hoffen, daß ihm die einheimische Industrie hilfreich unter die Arme greift. Für sie gibt es gar keine bessere Möglichkeit, den Fortschritt anschaulich vorzuführen, als beispielsweise bei einer Schau von der Holz-Eisenbahn bis zur modernsten elektrischen Anlage.

Obwohl das Kulturreferat seine detaillierten Pläne erst im November für die Tagesordnung einer Stadtratssitzung anmelden kann, hat es sich schon bis in Kleinigkeiten überlegt, wie die Ausstellungsräume gestaltet sein müßten. So soll der Stil des Hauses genutzt werden, um etwa im Barockzimmer entsprechendes Spielzeug zu zeigen. Ein paar Räume werden fest eingerichtet, die anderen sollen Schaustücke im Wechsel enthalten. Bei der Treppe wäre eine Vitrinen-Spirale denkbar. „In allen Fällen wollen wir uns aber der modernsten Ausstellungstechnik mit Licht- und Farbeffekten bedienen“, versichert Dr. Glaser.

Mindestens 1,2 Millionen Mark sind nötig, um das Haus Karlstraße auszubauen und um den modernen Trakt zu erweitern. Der jährliche Zuschuß für das Museum wird auf 250.000 DM geschätzt, in dem alle Posten wie Personal, Heizung, Ankäufe und Verpflichtungen aus dem Erwerb der Privatsammlung enthalten sind. Vorweg aber muß eine „größere Summe“ aufgebracht werden, denn ohne den Grundstock besagter Privatsammlung ist die Spielzeug-Schau in der Karlstraße nicht möglich. Die Stadt hat bisher viel Geld in trutzige Mauern investiert, um ihren Gemütswert zu erhöhen. Das Museum kann ihr „Gesicht“ ein wenig heiterer machen.

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