27. Februar 1966: Ein besorgter Blick zum Himmel

27.2.2016, 07:00 Uhr
27. Februar 1966: Ein besorgter Blick zum Himmel

© Gerardi

Ihre Skepsis ist verständlich. Die Natur hat in den ersten zwei Monaten dieses Jahres tolle Kapriolen getrieben: während vor einer Woche Norddeutschland noch in tiefem Schnee steckte, freuen sich die Nürnberger schon seit Tagen über blühende Zaubernuß und Seidelbast in Haus- und Schrebergärten, staunen blutige Laien und erfahrene Blumenzüchter über leuchtend gelbe Forsythien und Schlüsselblumen, die ihre zarten Triebe aus der feuchten Erde recken.

Ein kräftiger Nachtfrost – und die schöne Pracht wäre dahin. „Das würde für uns einen empfindlichen Rückschlag bedeuten“, prophezeit der Vorsitzende der Fränkischen Gartenbaugesellschaft, Gärtnermeister Paul Speckhart. Trotz der Angst im Nacken ist er optimistisch. „Die Pflanzen haben sich jetzt schon an die rauhe Witterung gewöhnt. Deshalb können sie auch einen leichten Nachtfrost gut überstehen“.

Wer in diesen Tagen einen interessierenden Blick über die Gartenzäune wirft, kann die besorgten Blumenfreunde verstehen. Überall lugen zarte Triebe und Blätter aus dem Boden. „Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben“, sagen die Gärtner, deren Winterschlaf heuer knapp bemessen war. Diese Atempause haben sie aber in den vergangenen Wochen nicht ungenutzt verstreichen lassen. In den Treibhäusern regen sich schon viele Hände. Dort „reifen“ Geranien, Begonien und Astern mit aller Macht heran. Die Zeit ist nicht mehr fern, dann werden sie von Tausenden Balkonfenstern leuchten.

Der Pflanzen- und Blütenzauber, der gegenüber dem Vorjahr einen zeitlichen Vorsprung von drei Wochen hat, erfaßte selbst die Tulpen. Sie haben schon lange die schützende und kraftgebende Zwiebel gesprengt und sind mächtig ins „Kraut geschossen“. In das saftige Grün, das sich jetzt überall breitmacht, fällt jedoch ein Wermutstropfen: in diesem Jahr wird es bestimmt zu Ostern keine Palmkätzchen geben. Ihr graumelierter Glanz ist bereits jetzt verblichen.

Wenn die amtlichen Wetterfrösche recht behalten, dürfte der Natur ein Dämpfer nicht erspart bleiben. „Wechselnd bewölkt, Tagestemperaturen zwischen 5 und 10 Grad und Niederschläge“, quakten sie gestern. Nachts soll es in den nächsten Tagen leichte Fröste geben – bei „mäßigen Winden, zeitweise stürmisch auffrischend“. Da kann man getrost wieder den Wintermantel aus dem Schrank holen. Die frühlingshaften Temperaturen, die in Nürnberg mit fast 20 Grad ihren Höchstpunkt erreicht haben, werden vorläufig nicht wiederkommen. Die Enttäuschung sollte aber nicht allzu groß ausfallen. Vor genau einem Jahr sah es in Nürnberg noch ganz anders aus: damals fielen vier Zentimeter Schnee, und ein paar Tage später sollte die Flockenpracht sogar noch größer ausfallen.

Deshalb sind auch die Bauern im Knoblauchsland noch vorsichtig. „Man weiß nicht, was noch kommt“, sagen sie. Sie trauen sich noch nicht ins Freie. Das heißt aber nicht, daß sie die Hände in den Schoß legen. Der größte Teil ihrer Pflanzen ist bereits pikiert. Mitte März geht es dann auf die Felder.

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