27. Oktober 1965: Vom Draht zum Kabel

27.10.2015, 07:00 Uhr
27. Oktober 1965: Vom Draht zum Kabel

© Ulrich

Der Oberbürgermeister bezeichnete das Werk als ein gutes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen vorteilhaft in der Stadt umgesiedelt werden kann. Mit dem gestrigen Blick „hinter die Kulissen“ setzte der Stadtrat seine Besuche bei Industrie und Handel fort, die ihm ein lebendiges Bild vom wirtschaftlichen Geschehen vermitteln sollen. Die Wahl war nicht zufällig auf TEKADE gefallen, denn Nürnberg gilt mit drei Werken als ein Schwerpunkt der bayerischen Kabelindustrie. Die drei Betriebe sind zu mehr als zehn v. H. am Umsatz dieser Industrieart in Deutschland beteiligt, die jährlich für über eine Milliarde DM Schwach- und Starkstrom verkauft.

„Die elektrische Energie, das ,Mädchen für alles´ im Betrieb, im Büro und im Haushalt, wird über Kabel verteilt“, mit diesen Worten umriß Gerd-Harald Ludendorff, der kaufmännische Vorstand, recht lebensnah, wofür sein Unternehmen arbeitet. Auch alle Nachrichten von Presse und Rundfunk brauchen in irgendeiner Form das Kabel, um an den Mann zu kommen. Der Strom im Hause wäre ebenso undenkbar ohne die Stränge, die oft aus 2.000 einzelnen Drähten gewickelt sind wie das Telephon.

Es war anfangs der fünfziger Jahre . . .

Um den steigenden Anforderungen zu genügen, zugleich aber wirtschaftlich arbeiten zu können, haben sich die Süddeutschen Telefon-, Apparate-, Kabel- und Drahtwerke A. G. anfangs der fünfziger Jahre entschlossen, die alten Fabrikanalgen an der Allersberger Straße allein dem Apparatebau zu überlassen. Die Landsuche begegnete zuerst solchen Schwierigkeiten, daß sie Nürnberg fast für immer Lebewohl gesagt hätten, aber schließlich fand sich der geeignete Grund und Boden am südlichen Stadtrand. Da jedoch schrien die Nachbarn in den Siedlungshäusern von Altenfurt Zeter und Mordio gegen den Plan, einen großen Betrieb zu errichten.

„Heute leben wir in bester Freundschaft mit unseren Nachbarn“, versicherte Dr.-Ing. Karl Buss, der technische Direktor, der sich mit dem neuen 1962 vollendeten Werk selbst ein Denkmal gesetzt hat. Die Hälfte der Belegschaft von 600 Leuten kommt sogar aus der direkten Umgebung des Unternehmens, das durch einen 30 Meter breiten Grünstreifen von den ersten Siedlungshäuschen abgeschirmt liegt.

Hubstapler auf breiten Fahrstraßen

30.000 von 140.000 qm Gesamtfläche sind bebaut, wobei „der Raum um die Maschinen herum geschaffen wurde“. Die ganze Fertigung spielt sich in einer Ebene ab. Breite Fahrstraßen machen es möglich, die schweren Rollen, die vordem viele Arbeiter von einer Abteilung zur anderen schaffen mußten, mit Hubstaplern zu transportieren.

Wie flüssig da alles vor sich geht, konnten die Stadträte selbst sehen, als sie die Straßen für Starkstrom-, Schwachstrom- und Kunststoffkabel entlangschlenderten. Wo sich einstmals viele Hände regten, rotieren heute Maschinen. Seit 1962 ist der Umsatz des Werkes von 24 auf 30 Millionen DM gestiegen. Und noch gibt es Platz, die Produktion auszudehnen.

Eine bayerische Brotzeit brachte den Stadtrat und die Männer der Wirtschaft nach einem ausgedehnten Rundgang wieder zusammen. Oberbürgermeister Dr. Urschlechter versicherte im Namen aller Gäste, daß die Stadt sehr wohl wisse, wie ihre Entwicklung auf Gedeih und Verderb mit dem Blühen der Industrie und des Handels verknüpft ist. Ganz ohne Gewerbesteuer geht es eben nicht . . . Diesmal aber brachte die Stadt der Industrie etwas mit: ein Bild von Nürnberg in der Zeit des Wiederaufbaues.

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