28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

28.10.2013, 06:40 Uhr
28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

© Gertrud Gerardi

Zur Mittagsstunde hatten die Kandidaten ihre Stimmen bereits abgegeben, sofern sie dies durften. Dr. Friedrich Zimmermann, der Bewerber der „Überparteilichen Wählervereinigung“, mußte sich mit einem Spaziergang durch das Germanische Nationalmuseum begnügen, weil er in Nürnberg kein Stimmrecht hatte. Er wohnte nicht, wie dies vorgeschrieben ist, sechs Monate in der Stadt.

28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

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Die zwei anderen Streiter um das Oberbürgermeisteramt, Dr. Urschlechter und Dr. Bergold, hätten sich in ihrem Stimmbezirk treffen können, wenn sie zur gleichen Zeit gekommen wären. Ausgerechnet im Wahllokal mit der verdächtigen Nummer 13 – Ohm-Polytechnikum – warfen sie samt ihren Gattinnen den Zettel in die Urne. Beide ließen sich durch die „13“ nicht beeindrucken.

28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

© Gertrud Gerardi

„Das war schon immer meine Glückszahl“, sagte Dr. Bergold, der bereits um 10 Uhr aufkreuzte. „Ich habe an einem Freitag, den 13., meine Examina gemacht!“ Dr. Urschlechter, der eineinhalb Stunden später vorfuhr und die Prozedur im Scheinwerferlicht des Fernsehens hinter sich brachte, meinte, „Ich wohne auf Nummer 13!“ (Am Keßlerplatz nämlich!) Der Oberbürgermeister war von der Einweihung der St.-Lukas-Kirche gekommen. Sein Chauffeuer verriet nicht ohne Stolz: „Die Leute haben dort Beifall geklatscht, als er das Gotteshaus verließ!“

28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

© Gertrud Gerardi

Auch Dr. Zimmermann war mit seiner Frau in der Kirche gewesen, ehe er seinen Besuch im Germanischen Nationalmuseum machte. Als er vor einer Frauenfigur mit erhobenem Arm stand, sagte einer zu ihm: „Das ist der römische Siegesgruß!“ Vorsichtig meinte drauf der Kandidat: „Na, ich weiß nicht recht!“ Das war eine düstere Vorahnung.

28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

© Gertrud Gerardi

Bereits um 20.15 Uhr stand das Ergebnis aus 380 von 402 Stimmbezirken fest; es besagte, daß der alte auch der neue Oberbürgermeister sein wird. Die Kollegen vom Studio Nürnberg des Bayerischen Rundfunks, die an diesem Sonntag ihren größten Einsatz in der Stadt „fuhren“ und mit vier Übertragungswagen vertreten waren, hatten Mühe, ihre Sendezeit bis 10 Uhr zu füllen. Ihr Chef, Dr. Wolfgang Buhl, stöhnte: „Die Dramatik fehlt!“

28. Oktober 1963: Zwei Kandidaten im Wahllokal 13

© Gertrud Gerardi

Für einen Nürnberger aber war der Tag zu aufregend: der 42jährige Wahlhelfer Rudi Wunderlich erlitt einen tödlichen Herzinfarkt. Während seine Parteifreunde von der SPD feierten, trauerte seine Familie. So eng liegen Freud´ und Leid beieinander.

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