30. Juli 1968: "Zehnerla" im Spiel

30.7.2018, 07:23 Uhr
30. Juli 1968:

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Denn die tollen Tage sind ausgebrochen: der Sommerschlußverkauf. „Hausfrauen vor den Toren!“ hallte der Schreckensruf durch Nürnbergs Kaufhäuser und dann, mit dem achten Glockenschlag und einem „alle Mann in Deckung!“, wurden die Pforten für eine Flut von Kaufwütigen geöffnet, die in den drei Buchstaben „SSV“ wieder einmal die Zauberformel des Jahres entdeckt haben wollen.

Aber Phantasie beiseite! Der lang ersehnte erste Tag im Nürnberger Sommerschlußverkauf 1968 spielte sich tatsächlich so ab: der „erste Schub“ kam unerwartet spät – zwischen neun und halb zehn Uhr – dafür aber mit „kolossaler Stoßkraft“, wie uns versichert wurde. Empfangen wurde „er“ mit einem wahren „Monumentalaufgebot“ an Spottpreisen: Söckchen für zehn Pfennig, Mäntel ab 19 Mark, Strumpfhosen für eine Mark und 95, Taschen – „echtes Leder, versteht sich“ – für 20 Mark, Büstenhalter für zwei Mark und 25, zwanzig Prozent reduziert, 60 Prozent reduziert usw. usw.... Am frühen Nachmittag mußte in den meisten Geschäften neu dekoriert werden denn, im Nu waren die Schaufenster „geplündert“.

Auch der Wettergott stand gestern eindeutig auf seiten der Unternehmer: er war freundlich gesonnen und lockte – eine ausgesprochene Seltenheit – auffallend viele Mütter mit ihren Kindern in die überfüllte Innenstadt. Hier wurde viel leichte Kleidung für die Jüngsten besorgt. Noch in der vergangenen Woche konnte man den Stoßseufzer hören: „Wenn das schlechte Wetter so bleibt, wird wohl nicht viel aus dem großen Geschäft.“

Die Menschenmengen, die sich durch die Stände mit großen und kleinen Sonderangeboten schoben, widerlegten diese Pessimisten aufs gründlichste. Zwar konnte man in dem schlimmsten Trubel Verkäuferinnen hören: „Es ist auffallend ruhig“. Die abendliche erste Bilanz bestätigte aber nüchtern und überzeugend: Tendenz steigend, im allgemeinen besser als im vorigen Jahr. Was vielen Unternehmern jedoch gegen den Strich gegangen sein dürfte: der Sturm auf die Bastille der Hochsommerartikel blieb aus. Badeanzüge. Strandkombinationen, Sonnenhüte und Frotteekleider ruhten ziemlich unberührt und unbeachtet in den Verkaufstischen.

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