4. Januar 1962: Die Klasse V – Eine Klasse für sich

4.1.2012, 06:59 Uhr
4. Januar 1962: Die Klasse V – Eine Klasse für sich

© Slevogt

Diese „erschreckende Bilanz“ mußte die Führerscheinabteilung der Stadtverwaltung mit ins neue Jahr hinübernehmen. Erschreckend deshalb, weil die Mopedfahrer im vergangenen Jahr fast neun Monate Zeit gehabt haben, einen Führerschein zu erwerben, der seit dem 1. Januar auch für die Teilnehmergruppe des Straßenverkehrs Pflicht geworden ist.

Die Neuerung in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung ist, so stellt man betrübt im Amt fest, trotz der dreivierteljährigen Uebergangszeit diesem Kreis von Kraftfahrern noch gar nicht so recht bewußt geworden. Viele von ihnen glauben nämlich, daß ihre vorläufige Fahrerlaubnis, die sie vom Amt auf Antrag ausgestellt bekommen hatten, auch weiterhin gilt. Damit befinden sie sich aber ein einem gefährlichen Irrtum: die Polizei prüft gerade jetzt recht genau die Mopedfahrer. Wer von ihnen keinen Führerschein der Klasse V nachweisen kann, muß sich darauf gefaßt machen, daß sein Fahrzeug sichergestellt und er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angezeigt wird.

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Daß mit dieser Neuerung ein großer Personenkreis angesprochen wird, geht aus der Zahl von 18 311 Mopeds hervor, die am 1. Juli 1959 in Nürnberg fuhren. Inzwischen sind es gut 20 000 geworden. Von der Stadt wird dagegen geschätzt, daß etwa 25 000 Personen ein Moped benutzen. Von ihnen verfügen bisher etwa 7000 über einen Führerschein der Klasse I bis IV; sie sind also berechtigt, ein Moped zu fahren. Von dem verbleibenden Rest haben inzwischen etwa 5600 einen Führerschein der Klasse V erworben.

Das ganze Dilemma für das „Auto des kleinen Mannes“ begann am 1. April 1961, als die Aenderung zur Straßenverkehrs-Zulassungsordnung in Kraft trat, nach der Mopedfahrer eine Fahrerlaubnis benötigen. Da sich der Gesetzgeber über die Einführungsschwierigkeiten klar war, billigte er den Mopedfahrern ein Uebergangsfrist bis zum 31. Dezember 1961 zu. In dieser Zeitspanne mußten Anträge auf eine vorläufige Fahrerlaubnis gestellt werden, die den Mopedfahrer jedoch nicht der Pflicht enthob, seine Kenntnisse in den Straßenverkehrsbestimmungen zu beweisen und als äußeres Zeichen dieses Wissens einen Führerschein zu erwerben.

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Von der Existenz einer Fahrerlaubnis weiß der normale Verkehrsteilnehmer wenig oder gar nichts. Sie ist, wenn auch nur als „reiner Verwaltungsakt“, Voraussetzung für den Führerschein. Im Straßenverkehrsgesetz gibt es den Paragraphen 9, der es den Behörden erlaubt, eine solche Erlaubnis zu verweigern, und zwar dann, wenn „der Bewerber wegen schwerer oder wiederholten Vergehen gegen das Strafgesetz verstoßen hat, zu Trunk- und Rauschgiftsucht, Ausschreitungen oder Rohheitsdelikten neigt oder wenn Bedenken gegen seine körperliche oder geistige Eignung gestehen“. Diese Voraussetzungen sind, nach Ansicht des Gesetzgebers, viel schwerwiegender, als verkehrsrechtliche Kenntnisse.

Die Meinung der Mopedbenützer, „es wird ja erst vom 1. Januar an ernst damit“, teilen die Behörden nicht. „Uns war es schon vom 1. April 1961 ernst mit Fahrerlaubnis und Führerschein.“ Denn: wer vor dem 31. Dezember ohne „vorläufige“ Fahrerlaubnis ein Moped benutzte, wurde genauso bestraft, wie es einem Fahrer geschehen kann, der vom 1. Januar 1962 an ohne Führerschein Klasse V fährt.

Um der, vorsichtig ausgedrückt, Lethargie unter den Mopedfahrern zu begegnen, können die Aemter nur immer wieder auf die straf- und zivilrechtlichen Folgen hinweisen, die sich z.B. bei einem Unfall ergeben. Deshalb geht ihr Appell auch an die Vernunft, eine Unterrichtsstunden in einer Fahrschule zu nehmen, die 20, speziell auf Mopeds zugeschnittenen Fragen zu beantworten und damit einen Führerschein zu erwerben. – möglichst schnell, denn wer „ohne“ erwischt wird, macht sich eines Vergehens schuldig. Und das wäre ein schlechter Anfang für ein neues Jahr.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 4. Januar 1962

 

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