7. Juli 1964: Fundamt quillt vor Fahrrädern über

7.7.2014, 07:00 Uhr
7. Juli 1964: Fundamt quillt vor Fahrrädern über

© Gerardi

Denn es kommt neuerdings immer mehr in Mode, zweirädrige Veteranen an der Straßenkante stehen zu lassen und sich nicht mehr darum zu kümmern. Schließlich bringt sie die Polizei zum Fundamt, das oft genug auf den ausgedienten Fahrrädern sitzenbleibt.

Wenn die Aufbewahrungsfrist von einem Jahr um ist, sind sie nicht leicht abzuschieben. Selbst Schrotthändler nehmen das Zeug häufig nur für gute Worte.

7. Juli 1964: Fundamt quillt vor Fahrrädern über

© Gerardi

„Da zahlt die Stadt schwer drauf“, sagt Josef Leis, der Leiter des Fundamtes, der sich an einen Dauerbestand von 600 Fahrrädern und 50 Mopeds gewöhnt hat. Schließlich kostet es allerhand Geld, vier Stockwerke für solche Funde zu reservieren. Lange Jahre verirrten sich dorthin nur jene Fahrräder, die einer „ausgeliehen“ (unberechtigt gebraucht, wie es in der Amtssprache heißt) hatte, weil er das Straßenbahngeld sparen wollte und danach stehen ließ.

Fahrräder mit Schrottwert

Aber in jüngster Zeit kommen immer mehr „Herrenlose“ an, für die sich keiner  interessiert. Sie werden jedoch ebenso behutsam behandelt wie alle übrigen Funde und gut aufgehoben. Wenn das Jahr um ist, sich aber noch kein Verlierer gemeldet hat, versucht das Fundamt, sie loszuschlagen. In vielen Fällen aber zuckt der Versteigerer mit den Schultern, weil er sich mit einer so mitgenommenen Ware gar nicht erst vor sein pp. Publikum hinzutreten wagt. Er läßt den Schund zurück. Das Amt muß solche Fahrräder dann noch zum Schrotthändler fahren lassen, von dem es bestenfalls eine oder zwei Mark bekommt.

In diesem Falle, so scheint es, ist dem Amt mit den „fundrechtlichen Bestimmungen“ in Nürnberg ein kleiner Strick gedreht: sie verpflichten nämlich jeden dazu, den Fundgegenstand bei dieser Behörde oder der nächsten Polizeidienststelle zu melden. Und wenn nun einer eben tagelang ein Fahrrad herumstehen sieht, zeigt er das an. Der Erfolg: es rollt zum Fundamt, das mit solchen Zweirädern fürwahr schon gesegnet ist.

„Wichtig wäre es, daß sich jeder Besitzer die Nummer seines Fahrrades merkt, dann bekommt er es bestimmt wieder“, meint optimistisch Josef Leis. Die Polizei führt nämlich eine Zentralkartei mit den Nummern gestohlener Fahrräder, so daß sie selbst aus Hamburg oder Lindau wieder beigebracht werden können. Wen aber interessiert schon die Nummer, wenn er des Drahtesels überdrüssig ist?

Wäre es dem Fundamt möglich, den „Verlierer“ irgendwie festzustellen, das Fahrrad käme sicher wie ein Bumerang wieder zurück. Findet es beispielsweise in einem Geldbeutel einen Postabschnitt, so schreibt es von sich aus den Besitzer an. Früher hat es sogar Filme aus verlorenen Photoapparaten von der Polizei entwickeln lassen, um etwa über Autokennzeichen oder Grabsteine einen Namen herauszubekommen; seit sich jedoch die Farbfilme häufen, geht das nicht mehr so einfach.

Nur die Hälfte wird abgeholt

Solche Wege mußten beschritten werden, weil die Erfahrung lehrt, daß nur die Hälfte der gefundenen Sachen abgeholt werden. Andererseits läßt es sich nach den Verlustmeldungen feststellen, daß nur wiederum die Hälfte der Finder ehrlich ist. Dennoch meint das Fundamt: der Weg zu seinem Haus in der Celtisstraße 13 lohnt sich. Dort gibt es sogar vorgedruckte Karten an den Zentralfundnachweis des ADAC in München, der alles registriert, was auf der Autobahn oder Bundes- und Landstraßen verloren wird.

Aber auch in Nürnberg ist alles gut aufgehoben, was der Mensch unwissend von sich wirft. Das sind im Jahr durchschnittlich 400 Brillen, 500 Schirme, 1200 Schlüsselbunde, 500 Schmucksachen wie Ringe, Broschen, Halsketten oder Manschettenknöpfe, 350 Aktentaschen, 900 Geldbörsen mit 35.000 Mark Bargeld und 350 Uhren, um die Masse zu nennen. Aber zum Sammelsurium gehören auch so originelle Dinge wie Kinderwagen oder Schaufensterpuppen, Fernsehgeräte und Motorflugzeuge.

Ein Jahr bleibt alles liegen. Dann ist  die Frist um. Der Finder hat das „Eigentumserwerbsrecht“. Wenn er will, kann er den Fund kaufen, wenn nicht, kommt die Sache unter den Hammer. Die einzige Ausnahme bilden Schlüssel, von denen die wenigsten abgeholt werden, wie Josef Leis zu berichten weiß. Sie werden vernichtet: die Feuerwehr schmilzt die Schlüssel ein. Soweit aber sollten es die Verlierer erst gar nicht kommen lassen. Denn: das Fundamt ist eine Fundgrube.                             

 

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