Al Di Meola begeistert und irritiert in Hersbruck

18.8.2015, 16:13 Uhr
Al Di Meola begeistert und irritiert in Hersbruck

Ein Weltstar in der Turnhalle. Doch wie viel Diva verträgt das Publikum? Hin- und hergerissen zwischen Weltklasse-Können und Kreisklasse-Benehmen entschied sich ein Besucher, das zu Recht umjubelte Konzert zu verlassen. Begründung: "Ich kann diese Arroganz nicht eine Sekunde länger ertragen."

Schade - er brachte sich um ein fantastisches Konzert. Wer Gitarre mag, ist noch nie an Al Di Meola vorbeigekommen. An dem Jungen, der mit 19 von Chick Corea entdeckt wurde und dessen Karriere ab da raketensteil nach oben ging. Immer erfolgsverwöhnt, war und ist er Idol vieler Klampferer. Mr. Speedhand wird er genannt, weshalb Bürgermeister Robert Ilg in der Eröffnung empfahl, "schnallen Sie sich an".

Di Meola kommt mit Midi-Controller, Wucht und Synthesizer, flankiert von Peo Alfonsi an der Gitarre und Schlagzeuger Peter Kaszas im dämpfenden Plexiglaskasten. Zwei hervorragende Musiker, die einzig dazu da sind, dem Meister Raum zu geben. Während Gitarrist Alfonsi seiner Gunst auf der Bühne sicher war, würdigte Di Meola seinen Rhythmusgeber keines Blickes. Beim Soundcheck, so war zu hören, habe Di Meola wütend den jungen Kollegen immer und immer eine Stelle wiederholen lassen, bis sie ihm endlich passte.

Wenn Di Meola an seine Kollegen die gleichen hohen Erwartungen stellt, die er in Sachen Perfektion von sich selbst abverlangt, so ist das in Ordnung. Wenn er aber auf der Bühne, vor knapp 700 Zuhörern, einen Mitarbeiter zur Schnecke macht, dann ist es das nicht mehr. Bis dahin hatte der 61-Jährige das Publikum bereits längst im Griff: Mit teilweise offenen Mündern verfolgten die Zuhörer den gewaltigen Sound und die absurd-schnellen Läufe, ausgewählt aus wenigen alten und vielen Stücken der neuen "Elysium"-CD. Di Meola ist da am Größten, wo er Jazz, Rock und Latin in präzisen Gewittern vereint.

Dann wurde es wohl warm auf der Bühne, er verlangte nach einem Handtuch. Nur: Das war noch in der bereits abgesperrten Umkleidekabine. Hektik im Hintergrund, während der Maestro auf der Bühne zunächst unheilvoll schwieg – um dann den Mitarbeiter via Mikrofon als "nicht professionell" zu deklassieren und ihn eine langsame "Schildkröte" zu nennen. Das Publikum hielt den Atem an.

"Wir sind hier ja auch in Slow City", parierte ein Zuhörer geistesgegenwärtig – doch da war die Situation nicht mehr zu retten: Der offensichtliche Arroganz-Ausrutscher war der Kratzer auf dem Lack des Ausnahmekünstlers und Wermutstropfen eines glanzvollen Abends.

Die Diva bleibt natürlich dennoch ein Genie, wenn sie beispielsweise den Beatles-Klassiker "Blackbird" neu fliegen lässt. Interpretationen und Improvisationen gehen allerdings nur alleine. Er ist der Solist, die alte Jazz-Regel, dass jeder mal zum Zug kommt, wischt Di Meola weg. Das darf er, er ist der Silberrücken auf der Bühne. Raum für Spontanität gibt es wenig. Später sagt er: "Das hängt davon ab, mit wem ich spiele - mit einigen hat man diese Freiheit. Leider sind das sehr wenige."

Was dem Publikum verborgen blieb, war Di Meola nach dem Konzert. Ein überraschend verbindlicher Mensch. Der erzählt, dass ihn seit 32 Jahren ein schreiender Tinnitus quält; dass er das Publikum fantastisch fand; dass für ihn das Instrument mehr sagt als viele Worte; dass er für seine Münchner Freundin nie vor dem Kaminfeuer Gitarre spielt ("da nehme ich mir eine Auszeit"); dass es ihn noch immer ehrt, wenn er auf der Straße erkannt wird; und dass ihn Musik manchmal langweilt ("ich mache das schon so lange, manchmal bin ich ausgebrannt").

Auf die vorsichtige Frage, mit welchem Tier er sich denn vergleiche, wenn er seinen Mitarbeiter zur Schildkröte abstemple, kommt die selbstironische Antwort: "Gorilla. Ich schreie andere immer an. Das ist meine Art, Stress loszuwerden." Silberrücken. Passt.

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