Ausstellung in Cadolzburg: Krieg im Kinderzimmer

21.11.2014, 13:00 Uhr
Ausstellung in Cadolzburg: Krieg im Kinderzimmer

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Neu war während des Ersten Weltkriegs nicht nur eine Waffentechnik mit einem bisher nie dagewesenen Vernichtungspotenzial. Neu war auch, in welchem Umfang und mit welcher Intensität die Herrschenden das Mittel der Propaganda einsetzten. Und das machte vorm Kinderzimmer nicht Halt. Dem Nachwuchs sollte „vermittels Spielzeug nationaler, aufrechter, vaterländischer Geist eingeimpft“ werden, zitieren die Ausstellungmacher aus einer Spielwarenzeitung Jahrgang 1914.

Wie das ausgesehen hat, dokumentiert sogenannte „Flachware“ aus der Sammlung Autenriehts, Papierenes wie Kinderbücher, Sammelbilder oder die weit verbreiteten Neuruppiner Bilderbögen: In riesigen Auflagen erschienen, schilderten sie die Deutschen als grenzenlos überlegen und in der Siegerrolle. Selbst in den Schulen dienten sie als Anschauungsmaterial, erklärt Autenrieth.

Dazu marschieren in der Schau Soldatenfiguren auf, die Renners Großvater hinterlassen hat. So genannte Masse-Ware ist das, die nicht etwa so heißt, weil sie vor und während des Kriegs zu Hunderttausenden produziert wurde, sondern die Machart aus einer Holzspan- und Leim-Masse meint. Durch die Vitrinen preschen Reitertruppen, Infanteristen nehmen Aufstellung, Franzosen und Deutsche stehen sich im Stellungskrieg gegenüber und erinnern daran, wie sich die Kontrahenten Ende 1914 an der Front eingruben, um bis Kriegsende Mensch und Material in einem Maß zu verheizen, wie es sich bis dahin keiner vorstellen konnte.

Im gleichen Jahr erschien ein Kriegsbilderbuch, das zum Bestseller wurde: Arpad Schmidhammers „Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“ erklärt propagandistisch verzerrt in naivem Strich und Knüttelversen, wie es zum Krieg kam. Da lassen es sich der deutsche Michl und der österreichische Seppl im eingezäunten Garten gut gehen, bis sie die Nachbarskinder, der serbische Lausewitsch und der russische Nikolaus attackieren, wogegen sich die beiden freilich nur wehren.

Den historischen Rahmen zu dem, was den Kindern weisgemacht wurde, beschreiben die Ausstellungsmacher in Texten. So soll, erklärt Autenrieth, Propaganda und Wirklichkeit kontrastieren, wie es bereits im Titelbild angelegt ist: Es zeigt das Postkarten-Motiv des „jüngsten Feldgrauen“. Ein kleiner, pausbäckiger Bub in Uniform, der mit der Hand an der Mütze salutiert. Erst der zweite Blick fällt auf den Appell in der oberen Ecke: „Denkt an unsere Krieger-Waisen.“

In Mode kam Kriegsspielzeug im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Imperiales Machtstreben schürte Nationalismus und Militarismus in der Bevölkerung. Als Englands Königin ihrem Enkel, dem späteren Kaiser Wilhelm II, einen Matrosenanzug schenkte, sollte das der Beginn werden für die uniformierte Einheitstracht der Kinder, die ein Großkonfektionär für die breite Masse erschwinglich machte. Davon zeugt ein Gruppenbild.

Die Anleitung zum Kriegsspiel im Kindergarten liefern Erziehungsleitlinien anno 1904. Die Umsetzung dokumentiert ein Foto, in dem sich zwei Buben unter den Augen einer Betreuerin mit Stöcken duellieren. In der Schule des wilhelminischen Reichs hatte der Nachwuchs auf Zack zu sein, es herrschte militärischer Drill: Im besten Fall, sollte „ein Wink des Auges“ genügen, um die Schüler zur Räson zu bringen, heißt es in einer Anleitung für Lehrer.

Die Rollenverteilung war klar geregelt. Sammelbilder, Vaters Zigarettenschachtel oder der Suppenwürze beigegeben, vermittelten, welchem Weg Mädels und Buben zu folgen hatten: Sie von der braven Braut zur Mutter und Hausfrau. Er vom Fähnrich zum Hauptmann.

Auch der Struwwelpeter, damals schon ein Klassiker, fand seine Kriegs-Adaption. Eine englische Fassung anno 1915 zeigt Wilhelm II. als Wüterich, dem das Blut von den Händen trieft. Die deutsche Retourkutsche ließ nicht auf sich warten: Der Kriegs-Struwwelpeter keilt gegen Russen, Serben und Franzosen gleichermaßen.

Und auch als ganz Europa am Boden lag, „ging die Kriegsverherrlichung weiter, als wäre nichts gewesen“, sagt Renner. Das belegen Bücher wie Manfred von Richthofens Autobiographie „Der rote Kampfflieger“ oder Felix Graf von Luckners „Seeteufel“. Titel wie „Mit 15 Jahren an die Front“ schilderten den Krieg als großes Abenteuer und Ehrenpflicht. Genauso wie schon die Biene Maja, die im Original anno 1912 martialische Töne anschlägt („Im Namen eines ewigen Reichs und im Namen der Königin, verteidigt das Recht“) waren es für Autenrieth Wegbereiter der „braunen Soße im Dritten Reich“.

Eröffnung am Freitag, 21. November, 18 Uhr, im Historischen Museum am Pisendelplatz 1. Zu sehen bis Januar sonntags von 13 bis 17 Uhr, Termine mit Führung können übers Rathaus, Telefon (0 91 03) 5 09 36, vereinbart werden.

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