Bad Windsheimer dreht Film in seiner Heimat

27.4.2017, 10:23 Uhr
Bad Windsheimer dreht Film in seiner Heimat

© Günter Blank

Ilyas erzählt von drei Tagen im Leben eines in Deutschland aufwachsenden türkischen Jungen, welche ihm einschneidende Erlebnisse bescheren, und von dessen Beziehung zu seinen Eltern. Es ist eine Momentaufnahme des jungen Ilyas, der auch später noch in Deutschland von Skinheads bedroht, in der Türkei als "Deutschländer" tituliert und entsprechend behandelt wird – kurz: der sich verloren fühlt.

Der zehnjährige Ilyas in Özdils Erzählung weiß nie so recht, wo er hingehört, wird sogar von anderen türkischen Kindern gemobbt. Eines Tages klauen diese sein Fahrrad. Er bekommt es zwar zurück, doch es ist kaputt. Als er sich Hilfe suchend an einen örtlichen Fahrradhändler wendet, lässt dieser ihn in rassistischer Manier abblitzen mit den Worten: "Ich mache nichts mehr für Türken." Dabei gehe es nicht darum, den Mann als Rassisten abzustempeln, betont Özdil. Dieser reagiere vielmehr aufgrund unliebsamer Erfahrungen mit zahlungsunwilligen Kunden türkischer Herkunft dem Jungen gegenüber so schroff.

Ilyas jedenfalls ist geschockt, geht nach Hause und berichtet seinem Vater, dargestellt von dem Nürnberger Schauspieler und Regisseur Ercan Karacay. Im Ergebnis löst das negative Erlebnis im Fahrradladen etwas aus in Ilyas. "Der Junge entdeckt in sich eine Kraft, die er sich erst nicht zu zeigen traut: Wut. Er entwickelt sich von einem zurückhaltenden Jungen zu einem, der sich wehrt", sagt Özdil, ohne mehr vom Fort- oder gar Ausgang der Handlung zu verraten.

Nur soviel lässt der Filmemacher noch raus: In einer Kinoszene des Films tauchen Originalbilder aus dem ersten Teil von Fritz Langs Filmepos "Die Nibelungen" auf. "Siegfrieds Kampf gegen den Drachen und das Bad im Blut als Symbol" – das sei schon "sehr deutsch", sagt Özdil.

Bad Windsheimer dreht Film in seiner Heimat

© Fotos: Günter Blank

Nach einem Dreivierteljahr der Vorbereitung startete der Dreh am Montag vergangener Woche in Bad Windsheim. "Hier habe ich meine Kindheit verbracht, deshalb wollte ich den Film auch hier realisieren", sagt Özdil. Nur einen Tag lang wurde in einer Fahrradwerkstatt in Fürth gedreht, ansonsten ausschließlich in der Kurstadt, zum Beispiel auf dem Spielplatz am Danziger Ring, beim früheren E-Center in der Berliner Straße, auf dem Marktplatz, in den Central-Lichtspielen und in einer Wohnung samt Garten am Westring. Gleich zu Beginn des Films werden in einer Einstellung beeindruckende Bilder der Stadt zu sehen sein, sagt Aufnahmeleiterin Stefanie Pfeiffer.

Levent Özdil hat für die Produktion des letzten Endes vermutlich etwa 25 Minuten langen Streifens eine professionelle Crew um sich geschart. Er investiert viel Zeit, Energie, Liebe und auch Geld in das Projekt. "Das ist mein erster offizieller, professioneller Film", sagt er, entsprechend sorgfältig geht er die Sache an. Der Film möge ihm zu einer "guten Visitenkarte" werden und für ein "erstes Hallo in der Branche sorgen", hofft Özdil. Teilfinanziert hat er die Produktion über Crowdfunding und Sponsoren. Weitere Unterstützer dürften sich jederzeit gerne bei ihm per E-Mail an leventoezdil@yahoo.de melden.

Professionell und solidarisch

In letzter Konsequenz ermöglicht hat die Realisierung des Films aber erst die Solidarität der beteiligten Filmschaffenden: Die ganze Crew arbeitet unentgeltlich, obgleich sie ausnahmslos professionell zu nennen ist. Dies zeigt schon der Blick auf die Besetzungsliste. Neben Severin Arndt, derzeit am Opernhaus in Nürnberg einer der Kinderdarsteller in Richard Wagners Oper "Die Walküre", oder Ercan Karacay – bekannt unter anderem durch sein Engagement beim Staatstheater Fürth, aus Filmen wie "Dreiviertelmond" und "Almanya – Willkommen in Deutschland" sowie "Tatort"-Folgen wie "Sturm" – wirken weitere Größen der Szene mit. Andreas Leopold Schadt etwa, der Kommissar im Franken-Tatort, der den Fahrradhändler mimt, oder die junge Schauspielerin Esra Gülay in der Rolle von Ilyas’ Mutter. Zudem etliche Akteure aus dem Ensemble des Freilandtheaters, welche Özdil ob deren langjähriger Bühnenerfahrung ebenfalls als Profis bezeichnet. Doch nicht nur vor der Kamera finden sich bekannte Namen. Da ist zum Beispiel Kameramann Oleg Borissov oder Tilman Braun, der den Part des Regieassistenten übernommen hat. Sie sind, wie alle anderen Techniker und Helfer auch, mit Eifer bei der Sache, es herrscht ständiges Gewusel. "15 bis 20 Leute sind immer am Set", sagt Stefanie Pfeiffer.

Mittlerweile sind die Dreharbeiten abgeschlossen. Wann und wo "Ilyas" erstmals öffentlich zu sehen sein wird, vermag Levent Özdil noch nicht zu sagen, denn er möchte sein cineastisches Erstlingswerk den Veranstaltern diverser Filmfestspiele anbieten. Will er sich die Chance auf eine Festivalteilnahme bewahren, darf er den Film vorab nicht öffentlich zeigen, allenfalls eine interne, inoffizielle Vorpremiere ist dann möglich. So sind die Spielregeln in der Szene. Auch der Regisseur braucht Geduld, nicht nur der Hauptdarsteller in der Maske.

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