Umfrage zur Sanierung

Braucht Nürnberg ein Opernhaus? Das sagen prominente Kulturschaffende dazu

20.10.2021, 06:56 Uhr
Das Opernhaus am Richard-Wagner-Platz hat Sanierungsbedarf. Wie und wo soll es mit der Oper weitergehen? Das wird gerade diskutiert.

© Günter Distler, NNZ Das Opernhaus am Richard-Wagner-Platz hat Sanierungsbedarf. Wie und wo soll es mit der Oper weitergehen? Das wird gerade diskutiert.

Ab Sommer 2025 muss das Opernhaus für mindestens zehn Jahre geschlossen werden, damit es saniert und erweitert werden kann. Das kann teuer werden. Offizielle Zahlen der anfallenden Kosten gibt es noch nicht, im Gespräch sind aber 700 Millionen für die Sanierung plus 200 Millionen für die Ausweichspielstätte. Das sagen prominente Kulturschaffende aus Nürnberg und der Region dazu.

Volker Heißmann, Comdian, Sänger und Entertainer der Comödie Fürth.

Volker Heißmann, Comdian, Sänger und Entertainer der Comödie Fürth. © Hans-Joachim Winckler

Volker Heißmann (52), Sänger und Entertainer von der Comödie Fürth: "Natürlich braucht Nürnberg ein Opernhaus. Für die Sparten Oper, Operette, Ballett braucht man ein großes Haus - auch für den gesamten Großraum. Aber ob man dafür fast eine Milliarde investieren muss, bezweifle ich. Ich denke, man muss bei der Ausweichoption Synergien für Konzertsaal und Oper nutzen. Man kann natürlich nicht alles optimal lösen, aber man darf auch nicht alles auf dem Rücken der Steuerzahler austragen. Es ist eine so unvorstellbar große Summe, das kann sich der kleine Volker aus Fürth gar nicht vorstellen."

Thilo Wolf, Big-Band-Leader und Komponist.

Thilo Wolf, Big-Band-Leader und Komponist. © Hans-Joachim Winckler, NN

Thilo Wolf (54), Musiker: "Klar ist, Nürnberg braucht eine attraktive und funktionierende Oper. Aber Nürnberg braucht auch ein Konzerthaus, das auf internationalem Niveau über Nürnbergs Grenzen hinaus strahlt und Künstler anzieht - und andere in der Stadt hält. Und Nürnberg braucht auch die ganzen Musik- und Theaterinitiativen, die Subkultur und all die Bereiche, in denen Kultur für die breite Bevölkerung gemacht wird. Sanierungskosten von einer Milliarde Euro für eine einzelne Institution, das ist schon eine Hausnummer. Die Elbphilharmonie war nicht so teuer, und wenn man sich die Oper in Linz ansieht und sich überlegt, dass diese „nur“ 180 Mio. gekostet hat, dann kommt man ins Grübeln. Rein kaufmännisch betrachtet bekäme man für die Sanierungskosten der Nürnberger Oper einen kompletten Oper-Neubau, dazu ein neues Konzerthaus - und man hätte immer noch 620 Millionen übrig. Wie viele freie Bühnen und Theater man damit über wie viele Jahre unterstützen könnte, diese Rechnung darf man wahrscheinlich nicht aufmachen. Ich denke schon, dass man vor dem Hintergrund dieser Beispiele im Interesse der Steuerzahler nochmals über die verschiedenen Optionen eines solchen Großprojektes sprechen und diese abwägen sollte. Dann stehen die Investitionen am Ende auch auf der Basis eines breiten und gesellschaftlich akzeptierten Konsens."

Nora Eckert, Opernkritikerin und Opernsachbuch-Autorin.

Nora Eckert, Opernkritikerin und Opernsachbuch-Autorin. © Hassan Taheri

Nora Eckert (67), Autorin und Opernkritikerin, gebürtig aus Nürnberg, lebt in Berlin: "Als ich 1969 mein erstes Opernerlebnis in Nürnberg hatte, ahnte ich nicht, eines Tages Opernkritikerin zu sein und schließlich noch Bücher zur Opern- und Theatergeschichte zu schreiben. Für mich, das Arbeiterkind, tat sich hier eine fremde und faszinierende Welt auf. Natürlich sind die Summen, über die jetzt in Nürnberg diskutiert wird, gewaltig. Aber die Frage, was darf Kunst kosten, war nie anders zu beantworten, nämlich sie darf kosten, was sie uns wert ist. Kultur gibt es nicht zum Nulltarif. Und die Sanierung eines maroden Gebäudes, in dem die Kultur zuhause ist, bekommt man nicht geschenkt. Für beides braucht es Geld – also, wer bezahlt? Wer diese Frage nicht beantworten will, der wird auf jeden Fall zwei andere nicht los: Warum er auf Kultur und auf ein Opernhaus verzichtet, und was schließlich mit einem riesigen maroden Bauwerk inmitten der Stadt anzufangen sei. Im Übrigen: Die künftigen Opernbesucher und Opernbesucherinnen werden gerade geboren und sie haben nicht weniger Recht auf Kultur wie ich das 1969 hatte. Also, wo bleiben die Baukräne am Richard-Wagner-Platz?"


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Musiker Ferdinand Schwartz.

Musiker Ferdinand Schwartz. © Stefan Hippel, NN

Ferdinand Schwartz (23), Musiker: "Unbedingt! Das Nürnberger Opernhaus ist eines der schönsten Konzerthäuser der Stadt und auch optisch ein sehr wichtiger und wertiger Teil des Nürnberger Stadtbildes. Jede größere Stadt hat ein historisches Opernhaus und wir brauchen uns dabei mit unserem nicht verstecken! Man unternimmt mit jedem Besuch eine kleine Zeitreise und um das zu erhalten, bedarf es eben regelmäßiger Sanierungen, die in diesem Umfang natürlich etwas kostspieliger ausfallen. Ich persönlich empfinde diese Investitionen aber als extrem wichtig, da das Opernhaus mit all seinen Vorstellungen und Konzerten für mich und sicherlich viele Nürnberger und Nürnbergerinnen nicht mehr aus der Kulturlandschaft der Metropolregion wegzudenken ist."

Lizzy Aumeier, Kabarettistin.

Lizzy Aumeier, Kabarettistin. © Stefan Hippel, NN

Lizzy Aumeier (57), Kabarettistin und Musikerin: "Prinzipiell find' ich's toll, dass Kultur unterstützt wird. Aber mir schwillt auch der Kamm, denn ich kenne so viele Kollegen und Solo-Selbständige, Bühnentechniker, Veranstalter, die wenig Geld in der Krise gekriegt haben, die aufgegeben haben. Man könnte dieses Geld nehmen, um die Kulturszene weiter zu unterstützen, die vielen kleinen Theater in Franken und Bayern. Deshalb bin ich da wirklich schockiert. Es wird ja sicher nicht bei 700 Millionen bleiben, sondern eine Milliarde werden, das kennt jeder, der schon mal renoviert oder gebaut hat. In dieser Zeit, in der so viele aufgegeben haben und Theater am Boden liegen, solche Gedanken zu haben - tut mir leid, da komme ich nicht mehr mit."


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Ewald Arenz, Bestseller-Autor.

Ewald Arenz, Bestseller-Autor. © Hans-Joachim Winckler, NN

Ewald Arenz (55), Bestseller-Autor: "Auf jeden Fall. Man kann es auch auf die Frage reduzieren: Braucht man Kultur oder braucht man sie nicht? Das Nürnberger Opernhaus ist auch ein Wahrzeichen der Stadt und ein Leuchtturm. Wenn man vor hundert Jahren kein Geld für so etwas in die Hand genommen hätte, dann sähen unsere Städte heute anders aus. Natürlich gibt es eine Grenze für Hochkultur, nicht alle Leute gehen in die Oper, aber ohne diese Tempel der Hochkultur würde uns etwas fehlen. Es hat auch einen repräsentativen Charakter, es ist auch schön zum Anschauen. Menschen brauchen so etwas. Wenn man sich überall auf der Welt die Kathedralen ansieht - um zu Gott zu beten, dafür würde im Prinzip auch ein Wald ausreichen. Die Burg, der Schöne Brunnen, aber auch Gebäude wie das Volksbad oder das Opernhaus machen das Bild Nürnbergs aus und ziehen Touristen in die Stadt. Wenn das alles wegfallen würde, dann fehlt uns etwas. Und das ist dann auch wieder ein wirtschaftlicher Faktor."

Bernd Regenauer, Kabarettist.

Bernd Regenauer, Kabarettist. © Giulia Iannicelli

Bernd Regenauer (65), Kabarettist: "Alles eine Frage der Balance. Natürlich braucht es das Opernhaus, was sonst soll aus dem Riesenklotz auch werden? Eine Shopping-Mall? Zwar sitze ich gerade selber über einer Oper, der ersten fränkischen Bieroper, aber ich bin zugegeben kein klassischer Operngänger. Doch auch mir ist klar: Die Sanierung muss sein. Und die kostet nun mal. Durch die lange Aufschieberei vermutlich mehr denn je. Aber die Kosten jetzt mit anderen Projekten wie etwa der Isar-Philharmonie zu vergleichen, ist unfair, denn da sind die Voraussetzungen deutlich andere. Eine jetzt wie immer geartete großprojektierte Interimslösung ist allerdings auch ein wohlduftender Lockstoff für all diejenigen, die Kultur nur als Trittbrett sehen, um ihre eigenen monetären Interessen zu befriedigen, siehe Museum. Also Obacht! Und oft ist es auch im Vorfeld so, dass die Kalkulation bewusst niedrig angesetzt wird, um sie erst mal durch den Stadtrat zu bringen - die "überraschende" Kostenexplosion wird dann verschämt oder gleich unverschämt nachgereicht. Also Doppel-Obacht! Hier kann ich bei den Stadtverantwortlichen nur auf größtmögliche Verantwortung hoffen. Schon aus Respekt all den Kulturbetrieben gegenüber, die ihr Dasein mit wesentlich weniger Etat nebst Möglichkeiten fristen müssen."

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