,Bürger früher beteiligen‘

13.8.2014, 08:00 Uhr
,Bürger früher beteiligen‘

© Roland Fengler

Frau Most, stellen Sie sich vor, sie müssten für die ersten 100 Tage eine Schulnote für die neue Stadtregierung vergeben. Was käme in Frage?

Elisabeth Most: Oh, das ist schwierig, denn bisher ist ja noch nicht wirklich viel passiert oder entschieden worden. Und ich hoffe, dass bald Entscheidungen getroffen werden, denn im Wahlkampf ist ja jede Menge aufgeschoben worden. Denken Sie nur an das Vergnügungsstättenkonzept.

Im Rathaus regiert eine große Koalition. Die kleinen Parteien klagen, sie würden mit ihren Ideen auf der Strecke bleiben und keine Rolle mehr spielen.

Most: Das kann schon passieren, da es keine wirkliche Opposition mehr gibt. Die Großen entscheiden im Vorfeld alleine, wie es läuft. Da fällt sicher vieles Innovative unter den Tisch.

Welche Erwartungen hat denn die AGBV an den neu gewählten Stadtrat?

Most: Die Schwerpunkte der einzelnen Bürgervereine sind unterschiedlich. Die Beteiligung von uns Bürgern an grundlegenden kommunalen Entwicklungsfragen ist ein Thema, das auch die politischen Debatten in Nürnberg wesentlich prägt. Die formelle Bürgerbeteiligung, wie sie das Baugesetzbuch oder das Kommunale Abgabengesetz vorschreibt, ist heute nicht mehr ausreichend. Wir haben deshalb beim OB angeregt, „Leitlinien für mitgestaltende Bürgerbeteiligung in der Stadt Nürnberg“, wie in Heidelberg, Leipzig oder Bonn, zu entwickeln. Damit die Bürgerbeteiligung grundsätzlich und nicht wie bisher einzelfallbezogen geregelt wird.

Da haben Sie in letzter Zeit schlechte Erfahrungen gemacht?

Most: Kommunalpolitik betrifft Bürger/innen direkt. Schließlich geht es um die Straßenbauarbeiten direkt vor der Haustüre. Ein neues, den Stadtteil prägendes Bauvorhaben oder um die Schule, die die eigenen Kinder besuchen. Hier zeigt sich, wie wichtig eine rechtzeitige Bürgerbeteiligung und der frühzeitige Dialog auf Augenhöhe, vor allem in einem ergebnisoffenen Prozess sind. Die Menschen müssen sich für ihren unmittelbaren Lebensbereich rechtzeitig einbringen können, um lebenswerte Verhältnisse schaffen oder erhalten zu können.

Haben Sie Beispiele dafür?

Most: Der Bürgerworkshop zur Entwicklung des Areals an der Brunecker Straße und das Beteiligungsverfahren zur Busverbindung „Am Wegfeld – U-Bahnhof Flughafen sind positive Beispiele. Bei der Insel Schütt wurde eine fertige Planung vorgelegt. Erst nach heftiger Kritik unter anderem vom Bürgerverein Altstadt, erfolgte in zwei Workshops eine ergebnisoffene Diskussion. Oder jetzt die Verabschiedung der neuen Stellplatzsatzung ohne Bürgerbeteiligung. Durch die geringeren Anforderungen befürchten wir eine Verdrängung von Ladenlokalen durch Gaststätten. Das widerspricht auch unseren Bemühungen der Nahversorgung in den Stadtteilen.

Dabei liegen die Vorteile einer frühzeitigeren Einbeziehung der Bürger in die Planungen doch klar auf der Hand.

Most: Ja, natürlich. Man spart sich nicht nur jede Menge Ärger oder negative Schlagzeilen. Die Menschen haben große Ortskenntnis, es entstehen neue Ideen, effektivere Problemlösungen sind möglich. Außerdem wachsen in den Stadtteilen soziale Kontakte, wenn sich die Leute zusammensetzen, um über die Gestaltung ihrer Umgebung mitzureden. Mit dem Vorteil, dass die Menschen dann auch hinter den Projekten stehen. Die Beziehungen zu Politik und Verwaltung verbessern sich.

Die Straßenausbau-Beitragssatzung steht zunehmend in der öffentlichen Kritik. Mehrere Bürgervereine haben sich der Initiative gegen diese Art der „Abzocke“, wie es vor Ort genannt wird, angeschlossen. Soll der Stadtrat die Satzung abschaffen?

Most: Sie muss dringend auf den Prüfstein. Straßen sind Allgemeingut. Die Anforderungen haben sich geändert. Das darf nicht dazu führen, dass über Jahrzehnte angestaute Sanierungsarbeiten als Wertverbesserungen auf die Anlieger abgewälzt werden. Die große Koalition der Stadt München verzichtet bereits auf eine solche Umlage.

 

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